Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

müssen, dass das Leben in der Kunst die Nachtheile ihrer Ab- 
weichungen von der Natur bis zu gewissen Gränzen zum Ver- 
schwinden bringt; aber unversöhnte Nachtheile würden bleiben, 
wenn sie nicht dieselben mit positiven Vortheilen überböte. 
Am wenigsten aber entgehen diesen Nachtheilen Künstler, 
welche entweder kein Bewusstsein derselben haben oder keine 
1- Nachtheile darin sehen; und zum Beweise, dass es nicht an solchen 
fehlt, will ich von genug zu Gebote stehenden Beispielen nur ein 
von gewisser Seite eben so niedliches als von der andern crasses 
anführen. a") 
Der bekannte Landschaftsmaler Ed. Hildebrandt hatte in sei- 
nem grossen Landschaftsbilde, benannt nAm WGlhOPG einigen am 
Wasser stehenden Störchen widernatürlich dickeBeine gegeben. 
Als man ihn darauf aufmerksam machte, und es nunnatürlicha fand, 
erwiderte er: nlCb weiss sehr wohl, dass die Störche in der Wirk- 
lichkeit dünnere und auch längere Beine haben, aber was kann ich 
dafür, dass die Natur diess gethan? Man kann von mir nicht ver- 
langen, dass ich ihre Fehler nachmachen 
Wie man nun auch sonst Schönheit definiren mag, jedenfalls 
soll ein möglichst reines Wohlgefallen dadurch erzeugt werden. 
Jeder aber wird zugeben, dass die Unlust aus dem Widerspruchc 
zwischen der Erscheinung der Beine und der Bedeutung als Storch- 
heine oder aus der Unsicherheit über die Bedeutung ob Storch 
oder nicht Storch, hier jeden Lustvortheil überbieten musste, den 
man etwa durch eine an sich schönere Form des Storchs, sollte 
auch eine solche durch Verdickung seiner Beine erzielbar sein, 
erlangen konnte.   
Indem wir uns nun zu den positiven V0i'theilen, welche durch 
den Nachlass von derlvollen Naturwahrheit erreichbar sind, wen- 
den, steigen wir dabei von mehr äusserlichen und niedern zu mehr 
innerlichen und höhern auf. 
Die Natur bietet uns wegen der Unmöglichkeit oder Schwie- 
rigkeit, einen Gegenstand oder ein Ereigniss aus einem Baum, 
einer Zeit in die andere zu versetzen, der Anschauung unzählige 
Schwierigkeiten dar, welche sich durch die Kunst bis zu gewissen 
Gränzen überwinden lassen, indem sie den Gegenständen leicht 
transportable, aus beliebiger Nähe zu beschauendc, leicht zu ver- 
Diosouren 1864. S.
	        
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