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vermissen, was ihr zu leisten unmöglich oder nur zu schwer fällt;
anderseits Freude an der Ueberwindung von Schwierigkeiten zu
finden, welche der in die Kunst Uneingeweihte nicht kennt, so
wie an dem historischen Fortschritte in dieser Ueberwindung, den
er eben so wenig kennt. Aus all' dem aber erwächst dem Kunst-
Freunde und Kenner ein wesentlich anderer Massstab der Schätzung
eines Kunstwerkes, als nach dem blossen Grade seiner Ueberein- s
stimmung mit einem Naturwerk, der zusammen mit dem stofflichen
Interesse den alleinigen oder Hauptmassstab für den in die Kunst
Uneingeweihten bildet.
Jedoch besteht nicht darin die rechte Bildung durch die Kunst
für die Kunst, noch die rechte Gewöhnung, sich überhaupt irgend-
welche Naturwidrigkeiten von ihr gefallen zu lassen, da vielmehr die
Gewöhnung eben so gut eine schlechte als eine rechte sein kann,
sondern erstens sich die nothwendigen gefallen zu lassen, zwei-
tens die nicht nothwendigen gefallen zu lassen, welche wesent-
liche Vortheile einbringen; sonst würden trotz der Gewöhnung
Naehtheile aus folgenden Gesichtspuncten bleiben.
Ersten s: Bedeutungen, welche die Kunst uns octroyirt,
stehen im Conflict mit solchen, welche wir aus dem natürlichen
Leben schöpfen, nothwendig an Kraft gegen diese zurück, da wir
in der Natur in der Regel, in der Kunst nur ausnahmsweise leben,
und erfahren selbst im Zusammenhange der Kunstbetrachtung eine
stille Gegenwirkung von denselben. Zweitens: die Gewöhnung,
uns gewisse Abweichungen von der Natur gefallen zulassen, kann
zwar das Missbehagen heben oder mindern, was aus Verletzung
der Naturwahrheit erwächst, aber uns für den Verlust des Ver-
gnügens, was uns die treue Wiedergabe der Natur macht, nicht
entschädigen. Drittens: Abweichungen der_ Kunst von der Na-
tur, die auf keinen haltbaren Motiven beruhen, d. h. keine Vor-
theile einbringen, welche die Nachtheile vergüten, können zwar in
einer gewissen Schule, einem gewissen Volke, durch eine gewisse
Zeit geduldet, geläufig und genehm werden, aber können sich nicht
allgemein und auf die Dauer in der Kunst halten, weil ein Princip
der Gemeinsamkeit und Haltbarkeit fehlt. Ein darauf eingerichteter
Geschmack behält also statt objectiver Berechtigung nur subjective
Gültigkeit und die Schätzung der Kunstwerke, die demselben hul-
digen, ist vergänglich.
Demnach wird die Kunst zwar mit darauf fussen können, ja