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strich auf der Tafel begleitete, so dass nach manchen Stunden die ganze Ta-
fel mit einem kunterbunten Gemisch solcher Kreidestriche durchsetzt war.
Oder endlich: liegt der Grund in dem nicht minder eingebo-
renen Gefallen an Wahrheit, Widerspruchslosigkeit, drohendem
Widerspruch gegenüber? Von einer Seite besteht die Voraus-
setzung, dass das Bild seinem Gegenstande gleiche; und je nach-
dem dieser Voraussetzung durch die Vorstellung, die das wirkliche
Bild Aerweckt, widersprochen oder entsprochen wird, kann nach
dem, im VII. Abschnitte besprochenen, Princip Unlust oder Lust
entstehen.
Vielleicht tragen alle diese Gründe zum Gefallen an der ge-
lungenen Nachahmung bei; gewiss jedenfalls der letztere. Und
da mit der Schwierigkeit genauer Nachahmung die Gefahr des
Widerspruches wächst, so wird natürlicherweise auch das Ge-
fallen an der Ueberwindung der Gefahr damit wachsen, also der
erste Grund mit dem letzten in Eins zusammengehen. Doch über-
lassen wir der Psychologie, genauer auszuklügeln, was das Haupt-
bestimmende bei dem Gefallen an gelungener Nachahmung ist,
und halten uns hier einfach an die Thatsache.
Schon Hogarth weist auf dieselbe und ihre Gründe hin, indem
er sagt (Zergliederung der Schönheit, S. 4): vEs steckt wirklich
in unsrer Natur von Kindheit an eine Liebe zur Nachahmung, und
das Auge wird oft durch Nachäßnng vergnügt sowohl als auch in
Erstaunen gesetzt, und ergötzet sich an der Genauigkeit der
Copieenai
In der That erscheint es uns das Lustigste, was es giebt, die
Stimme und Geberden eines Menschen durch einen Andern genau
nachgeahmt zu sehen, so lange wir nicht unser moralisches Ge-
fühl durch die Absicht desSpottes dabei verletzt finden; ja das
so zu sagen instinctive Gefühl der Lust an der gelungenen Nach-
ahmung kann selbst die moralische Unlust an dem Zwecke der-
selben so überbieten, dass wir sie uns gefallen lassen, wenn der
Spott nicht gar zu bösartig ist. Warum aber sollte das Gefallen an
gelungener Nachahmung, wass sich ausserhalb der Kunst geltend
macht, nicht auch in der Kunst sich geltend machen? Und wozu
die Fragel Fraglos macht es sich geltend.
Denn wer möchte in Abrede stellen, giebt er sich anders klare
und unbefangene Rechenschaft von den Gründen seines Ein-
druckes, dass die Lust, einen Schauspieler zu sehen, der seine
Fechner, Vorschule d. Aesthetik. II. 4