Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

stand selbst keins hat. Ueber die Natur dieses Vergnügens kann 
man freilich in Zweifel sein, und an Mehrerlei dabei denken. 
Liegt der Grund in der Freude an der überwundenen Schwie- 
rigkeit der treuen Wiedergabe? Und eine Schwierigkeit der treuen 
Wiedergabe besteht doch. Gewiss ist, dass überhaupt jede Ueber- 
windung einer Schwierigkeit durch Wissen, Kraft oder Geschick des 
Menschen uns ein Gefühl der Bewunderung und hiemit des Ge- 
fallens ahgewinnt. Zwar lässt sich dagegen einwenden, dass uns 
ein Kunstwerk gerade am bessten gefällt, wenn wir einer überwun- 
denen Schwierigkeit darin gar nicht gewahr werden, es sich viel- 
mehr leicht und wie von selbst gemacht zu haben scheint. In- 
zwischen wissen wir doch recht wohl, dass das Kunstwerk sich 
nicht von selbst gemacht hat und hat machen können; und jeden- 
falls der Kenner {indet darin, dass es doch in ge wissem Sinn e 
diesen Eindruck macht, den bessten und einzigen Beweis, dass die 
Schwierigkeit wirklich vollständig überwunden ist; auch beim 
Laien aber könnte ein Gefühl davon unbewusst die Freude an dem 
mitbestimmen. 
Werke 
Oder liegt der Grund vielmehr in der Befriedigung eines ein- 
gebornen Nachahmungstriebes, der bei Kindern und Wilden noch 
deutlich genug zu Tage tritt  denn manche sind ja wahre Affen 
 der zwar später in der Hauptsache von Erziehungseinilüssen 
und höheren Rücksichten überwogen wird, doch sich noch un- 
willkürlich bei fehlenden Gegenmotiven geltend macht, wie wenn 
wir bei Schilderung einer Bewegung sie unwillkürlich gesticulil- 
rend nachahmen , der Kegelschieber ein Stück hinter der Kugel 
herläuft u. s. W., auch wohl noch in der Macht der Mode erkenn- 
bar ist, und überhaupt beiträgt, Gemeinsamkeiten in der Mensch- 
heit zu erzeugen? Könnte nun nicht der eingeborene instinctive 
Trieb zur Nachahmung mit einem eben so instinctiven Gefallen 
daran in Beziehung stehen, was wenn auch von vorn herein we- 
niger rege und leichter von Gegenmotiven überwuchert als der 
Trieb, doch bei recht vollkommener Nachahmung zum Durchbruch 
käme. 
Ich erinnere mich noch aus meiner Studentenzeit, wo ich ein Collegium 
der Physik bei Prof. Gilbert hörte, wie derselbe, mit der Kreide vor der 
schwarzen Tafel stehend und sich auf einem Beine hin- und bei-wiegend, 
jede Bewegung, von der er sprach, aufwärts, abwärts, horizontal, geradlinig, 
krummlinig, schwingend, schnell, langsam mit. einem entsprechenden Kreide-
	        
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