als in der nie ganz scharfen Erinnerung die Abweichungen nicht
spürbar werden. Aber im Gegentheil verkürzt er gerade dadurch
den Vortheil, den das treue Gemälde bieten könnte, das in der
Erinnerung undeutlich Gewordene deutlich herzustellen und auf-
zubewahren. Ich sage nicht, dass Landschaften in jenem Sinne
nicht gemalt werden sollen, insofern Kunstlandschaften überhaupt
mehr bestimmt sind, uns schöne Gegenden zu schenken, als an
wirkliche zu erinnern; insofern sie aber den Anspruch machen, Letz-
teres zu thun, haben sie zum Zweck auch das Mittel zu wollen.
Muss man nicht auch im sprachlichen Gebiete zugeben, dass
uns der Inhalt einer Geschichte noch einmal so sehr interessirt,
wenn wir wissen, so ist sie geschehen, als wenn wir wissen, so
ist sie nicht geschehen; dass bei dem Lesen eines historischen Bo-
manes ein störendes Gefühl der Ungewissheit mitgeht, wie viel
wahr und wie viel nicht wahr sei; ja wohl manchen Roman, der
sich den Anschein gab, eine wahre Geschichte zu sein, haben wir
aus der Hand gelegt, so wie wir merkten oder erfuhren, er wolle
uns nur tauschen. Dieses Interesse an der Wiedergabe der Wirk-
lichkeit steigert sich nach Massgabe als sie uns näher selbst betraf.
Nun kann ein Kunstwerk, wenn schon nicht allein auf diess Inter-
esse speculiren, soll es den Namen eines Kunstwerkes verdienen,
doch unter Umständen einen Theil seiner Wirkung ihm verdanken,
hierauf allerdings mit speculiren.
Kurz die Aufbehaltung, Vergegenwärtigung, Wiedergabe
dessen, was ins menschliche Leben an irgend einem Puncte be-
deutungsvoll eingriff, die Befriedigung des Verlangens, das was
uns durch seine Wirklichkeit interessirte, auch für die Erinnerung
so wie es wirklich war, treu aufbehalten zu sehen, ist zwar nicht die
alleinige, nicht allein zu berücksichtigende, noch höchste, aber in
sofern mitzählende Aufgabe der Kunst, als die Wirkung vieler
Leistungen der Kunst durch Mitbefriedigung dieses Interesses zur
Höhe auch an Stärke gewinnen kann.
Ganz abgesehen aber von dem so zu sagen stofllichen oder
persönlichen Interesse, was jemand an dem Gegenstande einer
Kunstdarstellung nehmen mag, macht es dem Menschen an sich
ein eigenthümliches Vergnügen, die Natur durch freie Thätigkeit
des Menschen treu wiedergespiegelt zu sehen, so dass das dadurch
gewonnene Spiegelbild ein Interesse haben kann, wenn der Gegen-