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genau erinnern möchten, wie wir sie gesehen, oder sie genau so
zu sagen von Angesicht kennen lernen möchten, wenn wir sie
nicht gesehen; und der Kunst vermögen wir diesen Vortheil zu
verdanken, wenn sie sich diesen Dank nur verdienen will; aber
jede Abweichung derselben von der Natur über das Unvermeid-
liohe hinaus verkürzt den Anlass zu diesem Danke. Das Beispiel
des, durch den alten Meister gefertigten, Kaiserbildnisses legt uns
diesen Gesichtspunct nahe. Selbst Vertreter der idealistischen
Richtung möchte es mehr interessiren, dieses getreuliche Con-
terfei zu sehen, was den Kaiser so menschlich als er war, darge-
stellt, als ein idealisirtes Schemen desselben, worin der Künstler-
geist die Gestalt des Kaisers im Sinne seiner höheren Idee von
demselben auszuprägen gesucht, und jedes Fältchen, was nicht zu
diesem idealen Kaiser zu passen schien, wegliess. Nun mag man
darauf zurückkommen, solche treue Nachbildungen seien vielmehr
Sache der Photographie als der Kunst, und man wird in gewissem
Sinne Recht haben, nur damit den Vorzug, den die Photographie
in gewisser, ich sage damit nicht in aller, Beziehung vor der Kunst
vorausbehält, nicht wegbringen. Wirklich ziehen wir desshalb oft
die Photographie, bei der wir wissen, woran wir sind, dem Bilde,
bei dem wir das nie recht Wissen können, vor und möchte es
wünschenswerth sein, zum bessten Bilde von einer uns interessi-
renden Persönlichkeit noch eine gute Photographie derselben zu
haben, stimmt diess schon nicht zu der oft gehörten Aeusserung,
dass jedes gute Bild uns mehr von dem uns interessirenden Wesen
der dargestellten Persönlichkeit giebt, als die besste Photographie.
Was aber von diesem Aussprüche richtig ist, hängt nicht so-
wohl an Abweichungen des Bildes von der Natur, als daran, dass
der Künstler einen besonders charakteristischen und glücklichen
Moment der Natur sei es nach der Wirklichkeit selbst oder den
Bedingungen der Wirklichkeit, die wir bei Besprechung unsrer
Frage überall mit zur Natur rechnen, besser wählen, als der Pho-
tograph zufällig treffen kann; ja das Sitzen einer Person vor dem
photographischen Apparate ist wohl eine der ungünstigsten Be-
dingungen, den günstigsten Moment treffen zu lassen.
Ich habe sagen hören, dass man dem Landschafter, der eine
wirkliche Gegend zum Motiv seiner gemalten nimmt, selbst mit
Rücksicht auf das Interesse, was jemand an der wirklichen neh-
men mag, doch Abweichungen davon in so weit gestatten könne,