Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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genau erinnern möchten, wie wir sie gesehen, oder sie genau so 
zu sagen von Angesicht kennen lernen möchten, wenn wir sie 
nicht gesehen; und der Kunst vermögen wir diesen Vortheil zu 
verdanken, wenn sie sich diesen Dank nur verdienen will; aber 
jede Abweichung derselben von der Natur über das Unvermeid- 
liohe hinaus verkürzt den Anlass zu diesem Danke. Das Beispiel 
des, durch den alten Meister gefertigten, Kaiserbildnisses legt uns 
diesen Gesichtspunct nahe. Selbst Vertreter der idealistischen 
Richtung möchte es mehr interessiren, dieses getreuliche Con- 
terfei zu sehen, was den Kaiser so menschlich als er war, darge- 
stellt, als ein idealisirtes Schemen desselben, worin der Künstler- 
geist die Gestalt des Kaisers im Sinne seiner höheren Idee von 
demselben auszuprägen gesucht, und jedes Fältchen, was nicht zu 
diesem idealen Kaiser zu passen schien, wegliess. Nun mag man 
darauf zurückkommen, solche treue Nachbildungen seien vielmehr 
Sache der Photographie als der Kunst, und man wird in gewissem 
Sinne Recht haben, nur damit den Vorzug, den die Photographie 
in gewisser, ich sage damit nicht in aller, Beziehung vor der Kunst 
vorausbehält, nicht wegbringen. Wirklich ziehen wir desshalb oft 
die Photographie, bei der wir wissen, woran wir sind, dem Bilde, 
bei dem wir das nie recht Wissen können, vor und möchte es 
wünschenswerth sein, zum bessten Bilde von einer uns interessi- 
renden Persönlichkeit noch eine gute Photographie derselben zu 
haben, stimmt diess schon nicht zu der oft gehörten Aeusserung, 
dass jedes gute Bild uns mehr von dem uns interessirenden Wesen 
der dargestellten Persönlichkeit giebt, als die besste Photographie. 
Was aber von diesem Aussprüche richtig ist, hängt nicht so- 
wohl an Abweichungen des Bildes von der Natur, als daran, dass 
der Künstler einen besonders charakteristischen und glücklichen 
Moment der Natur sei es nach der Wirklichkeit selbst oder den 
Bedingungen der Wirklichkeit, die wir bei Besprechung unsrer 
Frage überall mit zur Natur rechnen, besser wählen, als der Pho- 
tograph zufällig treffen kann; ja das Sitzen einer Person vor dem 
photographischen Apparate ist wohl eine der ungünstigsten Be- 
dingungen, den günstigsten Moment treffen zu lassen. 
Ich habe sagen hören, dass man dem Landschafter, der eine 
wirkliche Gegend zum Motiv seiner gemalten nimmt, selbst mit 
Rücksicht auf das Interesse, was jemand an der wirklichen neh- 
men mag, doch Abweichungen davon in so weit gestatten könne,
	        
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