Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

erhebt sich Göthe in mehr als einem Ausspruche (z. B. Propyl. S. Q-I, 
Wahrh. und Dicht. lll. 49') über die Vertretung eines rohen Rea- 
lismus. 
Nun suchen Manche den Rest des Zwiespaltes und Streitcs 
zwischen beiden Ansichten durch Aussprüche wie folgt zu tilgen: 
das ideale und reale Element sollen sich im Gleichgewicht durch- 
dringen, zu einer unterschiedslosen Einheit aufheben, eins ganz 
im andern aufgehen, und was dergleichen Bedeweisen mehr sind. 
Nur dass damit nicht viel geholfen ist, indem der rechte Punct und 
Gesichtspunct des Gleichgewichts danach eben so unbestimmt 
bleibt, als der des Uehergewichts nach den Bedeweisen, deren 
sich Idealisten und Realisten zu bedienen pflegen. Wenn aber 
doch Kenner und Künstler sich der einen oder andern gern bedie- 
nen, je nachdem sie mehr da- oder dorthin neigen, so wird ihr 
Urtheil in der Hauptsache und in jedem besondern Falle in der 
That vielmehr anderswie bestimmt. 
Hierüber unterhielt ich mich einmal mit einem allgemein ge- 
schätzten Kuustfreunde und Kenner, und will zunächst wiederge- 
ben, was ich als seine Ansicht aus dem Gespräche mit ihm ge- 
schöpft habe, indem man darin die factische und praktische An- 
sicht der meisten Kunstfreunde und Kenner, wenn auch nicht zu 
gleicher Klarheit als hier erhoben, wiederfinden dürfte. 
Die Natur und Kunst sind jedes ein Reich für sich, das man 
aus sich selbst kennen lernen und nach seinen eigenen Regeln bc- 
urtheilen muss, da die Kunst doch eben nur durch ihre Ab- 
weichungen von der Natur zur Kunst wird, wozu die Regeln nur 
aus der Kunst selbst zu schöpfen sind. Demnach werden die Ab- 
weichungen der Kunst von der Natur recht sein, welche man in 
den bessten Werken der bessten Meister findet, und welche den 
bessten Eindruck auf die machen, die mit der bessten allgemeinen 
Bildung sich in die Welt der Kunst am meisten eingelebt haben, 
d. i. auf die wahren Kenner oder ächten Freunde der Kunst, 
denen es um die Kunst als Kunst und nicht darum zu thun ist, 
das, was man in der Natur schon hat, in der Kunst noch einmal zu 
haben, woraus sich überhaupt keine Abweichungen der Kunst von 
der Natur erklären lassen würden. Nur an jenen Kennern kann 
der Kunst wahrhaft gelegen sein, weil nur solchen wahrhaft an 
der Kunst gelegen ist. Aus dem, was solchen gefällt, mag man 
die der Kunst wesentlichen Abweichungen von der Natur abstra-
	        
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