studiren, sie nachbilden, etwas, das ihren Erscheinungen ähnlich
ist, hervorbringen solLa
Nun lässt sich zwar auch das Uebersinnliche, auf das Schiller
die Kunst anweist, realistisch in Formen gemeiner Wirklichkeit
darstellen, doch besteht nicht nur die natürliche Neigung, sondern
kann man auch Recht und Pflicht entsprechend finden, mit Ueber-
steigen der gemeinen Wirklichkeit in der Idee sie auch in den For-
men zu übersteigen.
Fragen wir nun nach der Entscheidung zwischen beiden ge-
gensätzlichen Auffassungen der Kunst, so wird sich eine solche
überhaupt nicht geben, sondern nur eine Verständigung da-
zwischen suchen und ein Compromiss dazwischen finden lassen.
Handelt es sich doch dabei überall nur um ein Mehr oder Weniger,
wozwischen zugestandenermassen die Gränzc nicht scharf be-
stimmbar oder wozwischen sie nach Umständen verschiebbar
ist. Auch kommen sich von vorn herein beide Ansichten bis zu
gewissen, nur nicht bestimmt formulirbaren und fixirharen, Gran-
zen entgegen.
In der That, der besonnene Idealist verlangt ja nicht, dass
der Künstler Alles aus seinem Geiste producire, vielmehr dass er
die Natur als Unterlage und Ausgangspunct zu seinen Schöpfungen
benutze. Bekannt ist, was Raphael in diesem Sinne an den
Grafen Castiglione schrieb: vlch muss viele Frauen gesehen haben,
die schön sind; daraus bildet sich dann in mir das Bild einer ein-
zigenmi Also vermochte Raphael die ideale Schönheit seiner Ma-
donnen nur auf Grund der vorgegebenen realen Schönheiten zu
schaffen; und unstreitig je mehr schöne Frauen und je schönere
Frauen er in der Wirklichkeit sahe, desto schönere Ideale ver-
mochte er zu schaffen; aber das Schaffen dieser Einen, mit der
keine der einzelnen übereinkam, die Vollendung dessen, was "in
der Natur nur angestrebt schien, blieb doch eine That seines eige-
nen Geistes.
Von andrer Seite verlangt der besonnene Realist nicht, dass
man die Natur ganz treu copire, und würde man das auch weder
bei Albrecht Dürer noch Leonardo finden; er verlangt vielmehr,
dass der Künstler doch irgendwie reinigend , zureehtlegend, aus-
wählend sich zur Wirklichkeit verhalte; und schon der Realist
A r is toteles verlangte in diesem Sinne nicht eine reine, sondern
eine reinigende Nachahmung der Natur durch die Kunst. Auch