seinem Tractat von der Malerei f) Regeln wie folgt: nEin Maler
muss von der Art einer jeden Sache, die ihm in das Gesicht fällt,
die allerbesste erwählen und es wie ein Spiegel machen, der so
viele Farben annimmt, als die Sachen besitzen, die man ihm vor-
hält. Wenn er nun also mit sich umgeht, wird er gleichsam die
andere Natur zu sein scheinena; und weiter: ndie vornehmste
Intention eines Malers soll darin bestehen, wie er es angreifen
möge, dass die Körper auf der ebenen Oberfläche seiner Tafel er-
hoben und abgesondert erscheinen : und derjenige, welcher andre
hierinnen übertrifft, verdient grosses Lobß Nach Leonardo sollen
also die Werke des bessten Künstlers nichts mehr als Spiegelbilder
der schönsten wirklichen Formen sein und scheint er noch
nichts von der Regel, dass man das Relief in der Malerei nicht zu
weit treiben dürfe, gewusst zu haben.
Wie dem auch sei, so sehen wiir in vorigen Beispielen die
realistische Auffassung und Richtung der Kunst schlicht und naiv
genug der idealistischen gegenüber vertreten. Hienach wird über-
haupt die Nach ah m u n g der Natur durch die Kunst als Haupt-
gesichtspunct derselben festgehalten. Anstatt den Gegenständen
im Kunstwerke den Stempel des eigenen Geistes aufzudrücken oder
einen Ausdruck göttlicher Ideen damit zu prätendiren, soll der
Künstler nur darauf ausgehen, die Natur, insoweit es überhaupt
ein Interesse hat sie wiederzugeben, durch möglichst objective
Darstellung so wahr, klar und eindringlich als möglich für den
Bcschauer herauszustellen. Insofern es aber auch einen Reiz oder
Zweck haben könne, mythologische oder Glaubensgegenstände dar-
zustellen, seien sie doch immer möglichst in den Formen und nach
den Bedingungen der Wirklichkeit darzustellen.
Es ist nicht ohne Interesse, dass wir Aussprüche von unsern
zwei grössten Dichtern haben, welche sich zwischen der idealisti-
schen und realistischen Richtung theilen. Schiller sagt in seiner
Abh. über das Pathetische H) : vDer letzte Zweck der Kunst ist die
Darstellung des Uclaersinnlichena; Göthe hingegen in den Pm-
pyläenzöihi) nDie vornehmste Federung, die an den Künstler ge-
macht wird, bleibt immer die, dass er sich an die Natur halten, sie
i) p. 486.
H) Taschenausg. XVII. S. 242,
"Ü Taschenausg. XXXVIII. S. 9.