Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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sie will von vorn herein und heute noch nachahmen, und hier fragt sich 
allerdings, warum will sie es nur bis zu gewissen Gränzen aber nicht über 
gewisse Gräinzen hinaus, und wie bestimmen sich diese Gränzen. 
Bei der Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit, feste Gränzen in Be- 
antwortung unsrer Frage zu ziehen, kann es nicht befrernden, 
wenn sie hin- und hergeschoben werden, bald so, dass das Haupt- 
gewicht noch auf den Anschluss an die Natur, bald so, dass es auf 
die Abweichungen von der Natur fällt, wodurch man zu den man- 
cherlei Einseitigkeiten, die aus andern Gesichtspuncten in der Auf- 
fassung der Kunst herrschen, zwei mehr erhält. In der That kann 
man, jenachdem das Hauptgewicht auf letztre oder erstre Seite 
gelegt wird, zwei verschiedene Richtungen in Auflassung und folg- 
weis Ausführung der Kunst unterscheiden, die wir kurz als idea- 
listische und naturalistische oder realistischef) einander gegen- 
überstellen, und in der freilich grossen Unbestimmtheit, die ihr 
allgemeiner Gegensatz noch übrig lässt, zuvörderst durch die geläu- 
ligsten Ausdrücke sich aussprechen lassen wollen, ehe wir he- 
stimmtere Anhaltspuncte der Betrachtung suchen. 
Selbstverständlich, und ohne dass" hierüber schon ein Streit 
bestände, wird man der Kunst Abweichungen von der Natur nach 
allen, Beziehungen gestatten müssen, na_ch welchen sie dieselbe 
nicht erreichen kann. Weder der Bildhauer noch Maler vermag 
seinen Gestalten Fleisch und Blut zu verleihen, der Maler eine 
Landschaft nicht so herzustellen, dass man in dieselbe wirklich 
hineintreten kann , und selbst den Schein der Tiefe nur unvoll- 
ständig zu erzeugen ; der Bildhauer nicht allen Feinheiten der Haut 
und des Haares nachzukommen, und beide den Moment nicht an- 
ders als dauernd vorzustellen, u. s. w. Auch werden unerfüllbare 
Fodernngen in dieser Hinsicht weder von Idealisten noch Realisten 
gestellt. 
Wenn nun die Kunst nach so vielen und wichtigen Beziehun- 
gen nothwendig hinter der Natur zurückbleibt, so lässt sich 
von vorn herein fragen: wozu überhaupt noch Kunst der Natur 
gegenüber? Wirklich hat Plato aus diesem Gesichtspuncte die 
a") Aus diesem oder jenem Gcsichlspuncte lässt sich auch wohl ein Un- 
terschied zwischen Naturalismus und Realismus in der Kunst machen, ohne 
dass die folgenden allgcnleinen Erörterungen einen Anlass enthalten, darauf 
einzugehen.
	        
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