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Interesse der Wahrheit würde die Kunst an sich nicht hindern,
Alles so wiederzugeben, wie es liegt, aber sie fasst ihre Ideen so
und führt sie so aus, dass der Bedingung der einheitlichen Ver-
knüpfung alles Einzelnen möglichst genügt wird.
In der Wirklichkeit versteckt sich ferner das Wesentliche oft
hinter dem Unwesentlichen, tritt das, an was sich das Interesse
hauptsächlich knüpft, nicht in das Hauptlicht, bleiben Beziehungen,
um die es zu thun ist, unklar; wir erfreuen uns aber der klaren
Darstellung eines Bedners, der diesen Mängeln in seiner Darstel-
lung abhilft, selbst wenn seine Rede einen Gegenstand betrifft,
der uns an sich nicht interessirt, indess uns die unklare Darstel-
lung des interessantesten Stoffes abstösst; wie es uns aber mit
einer Rede geht, geht es uns mit jedem Kunstwerk.
Noch Eins, was zwar nur nebensächlich ist, doch nicht ver-
gessen werden darf. Nach Allem, was geltend gemacht worden
ist, bewundert man auch den Künstler, der die schwierige und
so selten ganz gelingende Aufgabe erfüllt hat, Alles am Werke zu
einer vollendeten Leistung zu fügen, und in dieser Bewunderung
des Künstlers liegt etwas, was sich zugleich als Freude an seinem
Werke geltend macht. Bewundert man doch sogar Kraftkünstler
und Seiltänzer wegen der Ueberwindung von Schwierigkeiten,
die uns als solche erscheinen, und findet Vergnügen in der be-
wundernden Anschauung solcher Leistungen, ungeachtet diese an
sich zwecklos sind; um so leichter und lieber wird man den Künst-
ler bewundern und Genuss in bewundernder Anschauung seines
Werkes finden, wenn die Ueberwindung der Schwierigkeit einen
Erfolg hat, der auch abgesehen von derUeberwindung derSchwie-
rigkeit uns gefällt; nur muss man im Auge halten, dass diese
Ueberwindung selbst mit_ zu den Momenten, die gefallen, zählt
und sich mit den andern dazu hilft.
Man sieht jedenfalls, dass mancherlei Momente zum Gefallen
an einem Kunstwerke beitragen, die sich nicht klar und einfach
nach den Kategorien von Form und Inhalt scheiden lassen. Es
sind Momente, die in die künstlerische Darstellung jeder Art von
Formen, der hässlichsten wie schönsten, so wie jeder Art von In-
halt, des bedeutungslosesten wie erhabensten, eingehen, weder
den Beiz der anschaulichen Form noch den Reiz des angeknüpften
Inhaltes an sich angehen, wohl aber ihrem Reize, wo ein solcher