und sie lange oder oft wiederholt ansehen zu sollen, würde uns
sogar widerstreben. Warum zieren nun doch Bilder der Art viele
Stuben, ja wohl Stuben von Gehaltsiisthetikern selbst und gelten
für Zierden von Gallerien. Nolhwendig muss ein andres Interesse
sich hiebei geltend machen, als was der einseitige Gehaltsästhetiker
in Anspruch nimmt. Aber was kann es sein?
Nun wird zuvörderst dem Formästhetiker zuzugestehen sein,
dass abgesehen von allem geistig angeknüpften Inhalt eine Art der
sinnlichen Form- und Farbegebting mehr ansprechen kann als die
andre (vergl. Abschn. XIII und XXVI), und dass ein Genrebild hierin
ein Verdienst so gutalsjetles andre Bild suchen kann, wenn nur den
Forderungen des angeknüpften Inhaltes nicht dadurch widersprochen
wird. Aber was weit wichtiger ist, es giebt noch ein Interesse,
was die anschauliche Form und den daran geknüpften Inhalt in
Eins betrifft, also sich dem Entweder Oder der Formästhetiker und
(iehaltsästhetiker entzieht, mag auch der erstere geneigter sein, es
auf seine Seite zu schlagen. Jedenfalls wird man es besser ein
formales als ein Form-Interesse nennen, um es nicht mit
dem Interesse an der anschaulichen Form zu vermengen und zu
verwechseln. Versuche ich, es mit drei, doch der Auslegung noch
bedürftigen, Worten zu bezeichnen, so ist es das, in früher
(Alaschn. VI, VII, VIII) besprochenen Principien begründete, In-
teresse an Wahrheit, Einheit und Klarheit, was weit über
das ästhetische Gebiet hinaus aber auch tief in dasselbe hineingreift.
Genüge es, hier Folgendes in dieser Beziehung zurückzurufen.
Jedes Bild hat die Aufgabe, etwas darzustellen, was, sei es in
der Wirklichkeit sei es in unsrer Vorstellung, erstenfalls bestimmt,
zweitenfalls mehr oder weniger unbestimmt schon vorgegeben ist.
Wir freuen uns nach unserem Wahrheitsinteresse, wenn kein Wi-
derspruch zwischen dem, was dargestellt werden soll, und der Dar-
stellung im Bilde sich geltend macht, so mehr je grösser die Ge-
fahr des Widerspruches ist. Die Wirklichkeit und eigene Vor-
Stellung kann uns diese Freude nicht gewähren, weil dieselbe eben
nur in einem Verhältnisse der Uebereinstimmung des
Kunstwerkes damit beruht.
In der Wirklichkeit liegt ferner viel zusammen, was sich für
unsere Auffassung nicht unter einen einheitlichen Gesichtspunct
fügt, aber wir haben Freude ander einheitlichen Verknüpfung des
Mannichfaltigen, und danken der Kunst auch diese Leistung. Das