Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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sprechen, was Alles keine sichtbare Form, vielmehr ein lnhalt istf 
den wir durch unsre Lebenserfahrungen daran haben anknüpfen ler- 
nen, wie wir einen Inhalt an Worte und Schriftzeichen anknüpfen 
lernen, sei es auch dass jener Inhalt in einer wesentlicheren Bezie- 
hung zur Form steht, als dieser. Freilich sind wir überall gewohnt, 
das was Sache einer unwillkürlichen, durch das Leben uns geläu- 
fig gewordenen, Association an die Form ist, als Sache eines Ein- 
druckes der Form selbst zu rechnen, hiemit einen Theil des geistig 
angeknüpften Inhaltes unmittelbar in diese selbst zu verlegen, und 
dadurch den Reiz des Inhaltes auf die Form zu übertragen (vergl. 
Absch. IX), aber begehen damit in der That einen Raub am Inhalt. 
und können dann freilich leicht den so verarmten Inhalt als be- 
deutungslos gegen -die dadurch bereicherte Form schelten. Im 
Grunde ist es die ganze Durchdringung der sinnlichen Form und 
Formverhältnisse mit geistigem Gehalte und der ganze Aufbau und 
Ausbau dieses Gehaltes mit einem Abschlusse in der Spitze der 
Totalidee, um was es sich bei der Schätzung eines Kunstwerkes 
handelt; man muss nur den Werth desselben nicht einseitig in der 
höchsten Spitze einer abstracten Idee suchen. Der in allen Einzeln- 
heiten noch unbestimmte Gedanke, dass Bacchus dem Amor einen 
Trank reicht, will in der That wenig sagen ; die ganze Fülle werth- 
voller Associationsvorstellungen aber, welche die anschauliche 
Ausführung davon mit einem Schlage erweckt und der Phantasie 
zur Ausbeute und weiteren Verarbeitung darbietet, will viel sagen. 
Die so oft gehörte und namentlich von Schiller mit so viel 
Nachdruck vertretene Behauptung, dass die Wirkung des Stoffes 
oder Inhaltes eines Kunstwerkes vielmehr durch die Kunst ver- 
nichtet als gehoben werden solle, ist halb wahr und halb nicht 
wahr. Ein Bild mit traurigem Inhalt soll uns freilich nicht traurig 
machen, ein Bild mit schrecklichem Inhalt nicht erschrecken, weil 
es überhaupt wider den Kunstzweck läuft, uns Missstimmung zu 
erwecken. Stellt also das Bild doch etwas Trauriges, Schreckliches 
dar, so muss es das Bild durch ein versöhnendes Moment gut 
machen, oder durch irgend eine gefallende Eigenschaft überbieten, 
oder durch einen äusseren Zweck, wie den der historischen Auf- 
bewahrung oder gar Abschreckung, was jedoch nicht ins ästhetische 
Gebiet gehört, zu rechtfertigen suchen. Hiegegen ist kein Grund, 
warum uns ein Bild nicht durch seinen Inhalt andächtig, heiler, 
gemüthlich, scherzhaft stimmen sollte; vielmehr, je mehr es diess
	        
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