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Unterlage unsrer Seelenzustande und Seelenbewegungen über-
haupt absieht.
Nun zweifle ich freilich, dass sich überhaupt auf rein psychi-
schem Gebiete ein letzter verknüpfender Gesichtspunkt für die
Entstehung aller Lust und Unlust wird finden lassen, der eine
klare und zureichende Ableitung aller ästhetischen Gesetze daraus
gestattete. Aber ist nicht vielleicht im Herbartschen System diesem
Bedürfnisse entsprochen? Hat es doch in der Psychologie eine
neue Bahn eingeschlagen, und liegt nicht auch das, was wir in
dieser Beziehung suchen möchten, auf dieser Bahn?
Meinerseits vermochte ich es aus folgenden zwei Gesichts-
puncten nicht da zu finden.
Ilerbart macht die Entstehung der Lust und Unlust von
gegenseitigen Föderungs- und llemmungsverhäiltnissen der Vor-
stellungen abhängig") , aber er hat nicht klar zu machen vermocht,
wie die Entstehung der s i n n l i chc n Lust und Unlust unter diesen
Gesichtspunct tritt. Denn Wenn Ilerbart (Ges. W., V. S. 30) sagt:
nDie angenehmen Gefühle im engsten Sinne nebst ihren Gegen-
theilen [worunter er die rein sinnlichen versteht] müssen betrachtet
werden als entspringend aus Vorstellungen, die sich aber nicht ein-
zeln angeben lassen, ja die vielleicht aus physiologischen Gründen
gar nicht gesondert können wahrgenommen werdena, so liegt
hierin einerseits von selbst das Zugeständniss, dass die Anwend-
barkeit der Hemmungslehre hier auf einen dunklen Punct stosse,
andrerseits werden physiologische Bedingungen, von denen man
abstrahirt sehen möchte, doch zu Hülle genommen.
Abgesehen aber hievon vermochte ich mich den fundamental-
sten Voraussetzungen und Unterlagen der Herbartschen Hemmungs-
lehre überhaupt nicht zu fügen, indem ich sie mit einer unhe-
fangenen Auffassung und scharfen Analyse der Thatsachcn nicht
verträglich finden kann.
Zu solchen Puncten rechne ich:
4) Dass eine Mehrheit im Bewusstsein unterschiedcncr Vorstellungen
nicht zugleich bestehen kann, also auch von dem , was in räumlicher Aus-
dehnung zugleich besteht, nur eine Aufeinanderfolge punctußller VOPSI-el-
lungen möglich ist. 2) Dass Vorstellungen aus verschiedenen Sinuesgebieten,
sog. disparate Vorstellungen, einander abgesehen von ihren Complexionen
nicht zu verdrängen, im Bewusstsein zu beschränken im Stande sind, also
w
Lehr
Psychol.
534m
und 5 95 IT.
30 IT.