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proeessen gilt, gilt auch von dem Gesammtprocesse eines lndi-
viduum in Bezug zu seinen Theilprocessen; nur dass der Ge-
sammtprocess eines Individuum immer noch ein 'l'heilprocess des
gesammten Weltprocesses bleibt. Hierin liegen mannichfache Con-
flicte zwischen den Bedingungen der Lust und Unlust, zwischen
Streben und Gegenstreben begründet.
Voraussetzlich schliesst die Zusammenhaltung der Vorstellung
und des Willens auf einen bestimmten Zweck oder Beschäftigung
durch eine einheitlich verknüpfte Mannichfaltigkeit Bedingungen
der Stabilität des liiehei unterliegenden psychophysischen Pro-
cesses ein; und wo weder Eins noch das Andre vorhanden ist,
tritt entweder die Unlust der Langeweile ein, indem der eigne
Gang der Vorstellungen kein Bandf was sie in ein stables Ver-
hiillniss brächte, zu finden vermag, oder die Unlust eines zor-
splitterten Eindrucks Seitens von aussen aufgedrungener Vor-
stellungen. Wenn aber auch der lustvollste einheitliche Eindruck
sich bald abstumpft, so mag sich diess theils darauf schreiben
lassen, dass die für denselben disponible lebendige Kraft sich nach
der Einrichtung des Organismus erschöpft, tlieils dass die ein-
seitige Beschäftigung durch diesen Eindruck, Wodurch doch nur
ein Theil oder eine Seite des psychophysischen Systems in ein
stables Verhältniss versetzt wird, dasselbe ilhrigens mehr und
mehr in instabeln Zustand gerathen lässt und dadurch ein Streben,
die Beschäftigung zu wechseln, hervorruft.
Obwohl ich glaube, dass in der hier aufgestellten Ansicht
jedenfalls ein, freilich genauerer Bestimmung noch sehr laedürftiger,
Kern des Richtigen liegt, verzichte ich doch auf eine eingehendere
Erörterung derselben und weitere Anwendung auf die ästhetischen
Verhältnisse, da ich die Ansicht damit doch nicht ihres hypothe-
tischen Charakters zu entkleiden und durch sichre und klare Ab-
leitungen daraus die bisher entwickelten Specialprincipe zu er-
setzen und entbehrlich zu machen vermochte. Ueberhaupt müssten
wir weiter in der Psychophysik sein, in welche die Frage nach
der physischen Begründung von Lust und Unlust gehört, als wir
sind, ehe der Versuch solcher Ableitungen gelingen könnte, und
wäre er gelungen, so würden wir zwar eine psychophysische
Aesthetik, aber nicht eine Aesthetik in heutigem Sinne und nach
heutigem Bedürfnisse haben, welche von der innern physischen