Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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mit an der Schönheit des Bildes, zurück und umgekehrt. Man kann 
also nicht die von Beschäftigung mit dem Inhalte abhangende An- 
dacht als einen Theil des Kunstgenusses selbst ansehen wollen. 
Entsprechend mit der Wirkung jedes andern Inhaltes. Das wahre 
Interesse an einem Kunstwerke als solchem, d. i. das Forminteresse, 
ist überhaupt ein ganz eigenthümliches, mit sonst nichts vergleich- 
bares, Interesse, und um diess Interesse wirksam zu erzeugen und 
zu befriedigen, muss die Form die eigenthümliche Wirkung des 
Stoffes vielmehr aufheben als heben. Ein Bild, was eine traurige 
Scene darstellt, hat uns nicht traurig zu machen, ein Bild, was 
eine schreckliche Scene darstellt, uns nicht zu erschrecken; ist es 
der Fall, so ist es ein schlechtes Bild. Ein Bild, was eine heitre 
Scene darstellt, soll freilich die allgemeine Heiterkeit erwecken, 
welcher jedes Kunstwerk überhaupt, auch das mit dem ernstesten 
Inhalte, zu erwecken hat, indem es den Spieltrieb unsrer Phantasie 
oder Einbildungskraft beschäftigt und befriedigt, aber eben nur 
diese, nicht die besondere Art der Heiterkeit, die in der Scene 
spielt, in uns erwecken, die vielmehr zurückzutreten hat, um jener 
Platz zu machen. 
Mit Vorigem meine ich, wesentlich erschöpft zu haben, was 
Seitens der Form-Aesthetiker hier und da zur Stützung ihrer An- 
sicht von der Kunst geltend gemacht wird, und habe es möglichst 
mit den gemeinhin dazu gebrauchten Ausdrücken zu thun gesucht. 
Dabei bleibt noch gründlich unklar, wie eigentlich Form und Inhalt 
gegen einander abzugränzen sind, was doch nicht meine Schuld 
 ist, da der Streit zum grössten Theile eben auf dieser Unklarheit 
und der Unbestimmtheit, die factisch in dieser Beziehung besteht, 
beruht. Was aber wird der Gehalts-Aesthetiker gegen die vorigen, 
bei aller begrifflichen Unbestimmtheit doch wesentlich sachlich 
durchschlagend scheinenden, Betrachtungen des Form-Aesthetikers 
erwidern können? Ich denke, so weit ich ihn im Rechte halte, 
Folgendes: 
Wenn man im Ausgangsbeispiele zum Inhalte des Gemäldes 
gegenüber seiner Form nichts rechnet, als den abstracten Gedan- 
ken, dass Bacchus dem Amor einen Trank reicht, so kann die 
Herabsetzung des Werths des Inhaltes für die Kunst selbstverständ- 
lich erscheinen. Nichts Andres aber macht doch jene Formen in 
höherem Sinne schön, als dass uns Jugend, Lebensfülle, höheres 
Behagen, Freiheit und Leichtigkeit der Bewegung daraus an-
	        
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