Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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im Allgemeinen als die normale, und es gefallt unseine Person 
besser, insofern sie diese Grösse besitzt, als insofern sie grösscr 
oder kleiner ist; nur hat die Abweiehungins Grössere insofern einen 
Vortheil vor der Abweichung ins Kleinere voraus, als wir bei 
übrigens vorhandncr Proportionalittit der Form an die grosse Ge- 
stalt auch die Vorstellung einer grössern Kraft oder Leistungsfähig- 
keit, hiegegen an die kleinere die Vorstellung einer geringeren 
knüpfen; doch reicht das nicht hin, die riesenhafte Grösse eines 
Menschen wohlgefällig erscheinen zu lassen, weil bei zu weiter 
Abweichung von der Mitte die Missfalligkeit aus Ädem Grunde 
unsres Princips das Uebergewicht gewinnt. Inzwischen hindert 
das nicht, dass wir recht gern einmal einen Riesen wie Zwerg 
sehen, wenn sich ein solcher sehen lässt, sogar danach laufen, 
dafür bezahlen, um so mehr, je mehr der eine oder andre von der 
Normalgrösse abweicht, man kann sagen, je hässlicher er dadurch 
wird, ohne dass man doch einen Widerspruch gegen das Prineip 
der ästhetischen Mitte darin sehen kann; denn wir möchten, wie 
schon früher (Th. l, S. M) gelegentlich geltend gemacht wurde, 
doch weder die Biesen- noch Zwergesgrösse an schönen mensch- 
lichen Personen überhaupt sehen, und nach Massgabe, als sie sich 
wiederholt, geht der Beiz der Seltenheit und Neuheit verloren, 
indess wir die mittlere Grösse mindestens angenähert an jeder 
schönen Person wieder verlangen. Das Gefallen an der Riesen- 
und Zwergesgrösse ist in der That nur ein Gefallen an der Selten- 
heit und Neuheit der Grösse oder Kleinheit, nicht an dieser selbst. 
So zu sagen die idealen Vorzüge der Menschengestalt ver- 
lassen jedoch die Mitte. Ein Gesichtswinkel, welcher sich dem 
rechten Winkel nahert, gefällt uns besser, als der mittlere unter 
denen, die wir vor-Augen haben. Ein Auge, das grösser ist, ein 
Mund, ein Fuss, die kleiner sind als die mittlern, sind in ästhe- 
tischem Vortheil. Aber nicht desshalb, weil sie die Mitte verlassen, 
sondern nur sofern sie uns Zeichen von einer hohern edlern, 
feinern, idealern Constitution sind, dadurch sind, dass wir ge- 
wohnt sind, sie in Verbindung damit zu sehen.
	        
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