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diese oder jene Lustquelle versagt ist, also in negativem Bezuge zu
uns steht; aber dann ist es entweder für un s keine Lustquelle,
oder ihre Erreichung kommt in Conllict mit Bedingungen, auf die
sich die positive Erhaltung unsres Lustzustandes im Uebrigen grün-
det, oder überhaupt mit andern überwiegenden Lustbedingungen.
Ob bei dem Gedanken an unsre eigne vergangne oder zukünf-
tige Lust oder Unlust der positive oder negative Bezug überwiegt,
hängt im Allgemeinen an Bestimmungsgründen, die in unserm übri-
gen Vorstellungskreise liegen, und lässt sich einer Obmacht dieser
Bestimmungsgründe gegenüber nicht erzwingen, daher das Glück
der Vorstellungslust nicht erzwingen. Wenn wir wissen, dass eine
Lust für uns nicht erreichbar ist, so kann sich der positive, Vor-
stellungsbezug, dass wir sie haben wertlen, nicht geltend machen;
und sind wir überhaupt im Zuge unlustvoller Vorstellungen be-
griffen, so wird sich auch die Vorstellung an vergangenes Glück
leichter mit der Unlust, dass wir es nicht mehr haben, als der Lust,
dass wir es gehabt haben, diesem Zuge einfügen. DerUmstand selbst
aber, dass es uns lustvoller ist, zu hoffen als zu fürchten, über-
haupt den positiven vor dem negativen Bezuge der Lust zu bevor-
zugen, macht, dass wir jene wirklich im Allgemeinen bevorzugen,
wo keine oder nur verhältnissmässig schwache gegenwirkende
Momente vorhanden sind, begünstigt unsere Hoffnungen, bestimmt
unsere Antriebe, und spielt eine wichtige Rolle in unseren religiö-
sen Glaubensansichten, indem wir im Allgemeinen vorziehen, das
zu glauben, was uns am meisten zusagt zu glauben, so lange nur
eben keine überwiegenden Gegenmotive sich geltend machen; ja
selbst starke theoretische Gegenmotive können dadurch überboten
werden.
Zwar giebt es Melancholiker und Pessimisten, welche Alles
schwarz sehen oder den Glauben an eine schlechte Weltordnung
vorziehen. Aber bei dem Melancholiker werden die Vorstellungen
von seinen unlustvollen subjectiven Empfindungen mit inficirt, und
der Pessimist ist, meist durch traurige Erfahrungen, die er selbst
gemacht oder die seine Aufmerksamkeit vorzugsweise in Anspruch
genommen, zu seiner ungünstigen Ansicht von der gesammten
Weltordnung geführt worden. Beidesfalls liegt ein Conilict vor, in
welchem das Grundmoment der Vorstellungslust den Kürzern zieht.
Handelt es sich um die Vorstellung der Lust oder Unlust
Andrer, so kommen unstreitig verwickelte psychologische Momente
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