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helfenden Motives, indess es, um sich einer starken Aufregung
hinzugeben, im Allgemeinen eines solchen nicht nur nicht bedarf,
sondern selbst der unlustvolle Charakter einer receptiven Auf-
regung mitunter durch den Lustwerth ihrer Stärke überboten
werden kann. Doch hängt dieser Unterschied "vielleicht nur daran,
dass der Mensch im Allgemeinen zu seiner blossen Erhaltung und
vollends zu seinem Gedeihen so viel mehr der activen als receptiven
Beschäftigung bedarf, dass er in Betreff des Reizes der letztern
im Allgemeinen als frischer und als mehr ausgeruht anzusehen
ist. Wenn sich aber starke receptive Aufregungen zu sehr häufen,
kann man so gut davon ermüdet werden, als von starker Arbeit.
Niemand wird wohl in Abrede stellen, dass die Berichte von
ungeheuren Katastrophen, Verwüstungen durch Erdbeben, Vul-
kane, Wasserfluthen, Stürme, Mordthaten, je mehr sie von gewisser
Seite unser Mitgefühl für die dadurch Betroffenen in Anspruch
nehmen, von andrer Seite doch um so lieber gelesen werden, je
Ungeheuerlicheres sie berichten, was blos in einem Reiz der dadurch
bewirkten starken receptiven Erregung liegen kann, wodurch die
Unlust der Vorstellung des Unglücks überwogen wird, um so
leichter, je weniger uns die davon Betroffenen angehen.
Auch kann man die Lust am Erhabenen, in soweit sie von
der das Mass des Gewohnten überschreitenden Grösse oder Starke
abhängt, auf die Lust an starker receptiver Beschäftigung zurück-
führen. (Vgl. Abschn. XXXII.)
Die Triftigkeit der Herbart-Zimmermannschen Sätze, dass das Starke
neben dem Schwachen, das Grosse neben dem Kleinen gefalle, das Umge-
kehrte missfalle, ist jedenfalls auf die Bedingungen beschränkt, unter denen
wir überhaupt stärkere receptive Erregungen schwächeren vorziehen , d. i.
auf vorheriges Ausgeruhtsein betreffs receptiver Beschäftigung, wogegen der
damit correlate gegentheilige Vorzug , den wir den schwächern vor den stär-
kern receptiven Anregungen geben, wenn wir durch starke ermüdet sind,
nicht unter jene Gesetze tritt.