Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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würde ein Ueberdruss, eine Ermüdung doch in Betreff dieses all- 
gemeinen Charakters sich geltend machen und macht sich wirklich 
nicht selten geltend, wenn nicht doch mitunter theils von selbst 
neue fremdartige Momente der Anregung in das Leben träten, 
theils absichtlich gesucht und geschaffen würden. Diess bedingt 
die so allgemeine Sucht, etwas Neues, Seltenes, Fremdartiges zu 
sehen, zu hören, wobei es gar nicht wesentlich ist, dass das, was 
man sieht, hört, an sich wohlgefällig sei, es wird eben durch den 
Reiz der Neuheit, Seltenheit wohlgefällig, so lange es noch als neu, 
als selten erscheint. 
Burke's Untersuchung vom Schönen und Erhabenen beginnt 
also: 
wDie erste und einfachste Bewegung, die wir im menschlichen 
Herzen finden, ist Neubegierde. Unter Neubegierde verstehe ich 
das Verlangen und das Vergnügen, welches Dinge erregen, in so 
fern sie das erstemal vorkommen. Wir sehen die Kinder in einer 
beständigen Bewegung, um etwas Neues zu erhaschen; sie greifen 
mit grosser Hitze und mit weniger Wahl nach der ersten besten 
Sache, die ihnen in den Weg kommt; jedes Ding zieht ihre Auf- 
merksamkeit an sich, weil jedes Ding in diesem Alter noch den 
Reiz der Neuheit ham 
Aber das Princip gilt für Erwachsene nicht minder als für 
Kinder. Selbst die halb thierisch aussehende Pastrana hat aus 
diesem Grunde beigetragen, den Circus von Benz, wo sie sich 
sehen liess, zu füllen, und statt schöner Kinder sieht man nicht 
selten die hässlichsten Missgeburten in Messschaubuden ausgestellt. 
Nun aber möchte man die Pastrana, die Missgeburt doch nur 
einmal sehen, Beweis, dass eben blos die Neuheit, Seltenheit 
den Beiz dieser Sehenswürdigkeiten bedingt, indess man eine und 
dieselbe schöne Frau, ein und dasselbe schöne Kind zwar nicht 
continuirlich ansehen möchte, um nicht dem Princip der Ab- 
stumpfung anheimzufallen, aber gern recht oft, um so lieber, je 
schöner sie sind, ansieht, indem sie einen nachhaltigem Grund der 
Wohlgefälligkeit als den Beiz der Neuheit geltend zu machen haben. 
Das Sprichwort Variatio delectat bezieht sich auf das bei jeder 
Art von Beschäftigung endlich eintretende und den Reiz der Neu- 
heit allgemein bedingende Bedürfniss des Wechsels, und auf die 
Lust seiner Befriedigung; insofern aber jenes Bedürfniss seine 
Gränze hat, hat auch die Triftigkeit des Sprichwortes ihre Gränze.
	        
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