249
würde ein Ueberdruss, eine Ermüdung doch in Betreff dieses all-
gemeinen Charakters sich geltend machen und macht sich wirklich
nicht selten geltend, wenn nicht doch mitunter theils von selbst
neue fremdartige Momente der Anregung in das Leben träten,
theils absichtlich gesucht und geschaffen würden. Diess bedingt
die so allgemeine Sucht, etwas Neues, Seltenes, Fremdartiges zu
sehen, zu hören, wobei es gar nicht wesentlich ist, dass das, was
man sieht, hört, an sich wohlgefällig sei, es wird eben durch den
Reiz der Neuheit, Seltenheit wohlgefällig, so lange es noch als neu,
als selten erscheint.
Burke's Untersuchung vom Schönen und Erhabenen beginnt
also:
wDie erste und einfachste Bewegung, die wir im menschlichen
Herzen finden, ist Neubegierde. Unter Neubegierde verstehe ich
das Verlangen und das Vergnügen, welches Dinge erregen, in so
fern sie das erstemal vorkommen. Wir sehen die Kinder in einer
beständigen Bewegung, um etwas Neues zu erhaschen; sie greifen
mit grosser Hitze und mit weniger Wahl nach der ersten besten
Sache, die ihnen in den Weg kommt; jedes Ding zieht ihre Auf-
merksamkeit an sich, weil jedes Ding in diesem Alter noch den
Reiz der Neuheit ham
Aber das Princip gilt für Erwachsene nicht minder als für
Kinder. Selbst die halb thierisch aussehende Pastrana hat aus
diesem Grunde beigetragen, den Circus von Benz, wo sie sich
sehen liess, zu füllen, und statt schöner Kinder sieht man nicht
selten die hässlichsten Missgeburten in Messschaubuden ausgestellt.
Nun aber möchte man die Pastrana, die Missgeburt doch nur
einmal sehen, Beweis, dass eben blos die Neuheit, Seltenheit
den Beiz dieser Sehenswürdigkeiten bedingt, indess man eine und
dieselbe schöne Frau, ein und dasselbe schöne Kind zwar nicht
continuirlich ansehen möchte, um nicht dem Princip der Ab-
stumpfung anheimzufallen, aber gern recht oft, um so lieber, je
schöner sie sind, ansieht, indem sie einen nachhaltigem Grund der
Wohlgefälligkeit als den Beiz der Neuheit geltend zu machen haben.
Das Sprichwort Variatio delectat bezieht sich auf das bei jeder
Art von Beschäftigung endlich eintretende und den Reiz der Neu-
heit allgemein bedingende Bedürfniss des Wechsels, und auf die
Lust seiner Befriedigung; insofern aber jenes Bedürfniss seine
Gränze hat, hat auch die Triftigkeit des Sprichwortes ihre Gränze.