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in den Gegensatz gehen. Es erfolgt aber ein solcher Umschlag
auch weniger leicht bei Unlustreizen als Lustreizen, wo er als
Uebersättigung oder selbst Ekel bezeichnet wird, ist bei vielen
Unlustreizen überhaupt nicht zu erzielen; insoweit es aber der
der Fall ist, nicht, wie bei Lustreizen, durch Verstärkung über ein
gewisses Mass hinaus, sondern Fortsetzung oder Wiederholung in
schwachem oder mässigem Grade erzielbar. Diese Unterschiede im
Verhalten von Lust- und Unlustreizen sind als factisch anzuerken-
nen, indess eine bestimmte Erklärung derselben unstreitig nur aus
einer genaueren Erkenntniss der psychophysisehen Grundbedingung
der Lust und Unlust und Einrichtung unsrer Organe bezüglich
darauf hervorgehen könnte, als uns zu Gebote steht.
Dass durch noch so grosse Verstärkung, noch so lange Fortdauer, noch
so häufige Wiederholung der Ursache, welche einen Zahnschmerz hervor-
ruft, oder dem Menschen die Unlust einer Sorge bereitet], die Unlustwir-
kung derselben sich je in eine Lustwirkung verkehren könne, wird nicht
anzunehmen sein, doch fehlt es nicht ganz an Beispielen des Unlschlages auch
bei Unlustquellen. Das Tabakrauchen macht Jedem Anfangs Unlust; nach
öfterer Wiederholung macht es Lust. Die Bitterkeit des Bieres missbehagt
den meisten Kindern, nach öfterem Trinken kann sie zur Annehmlichkeit des
Biergenusses beitragen. Der Pechgeschmack, den der Wein in Griechenland
durch Aufbewahrung in gepichten Schläuchen annimmt, widert beim ersten
"Trinken einen Jeden an, wird hiegegen von dem daran Gewöhnten mit Un-
lust vermisst.
Man darf daraus, dass ein Reiz durch verlängerte Einwirkung seinen
Eindruck ändert, nicht schliessen, dass die durch den Reiz in uns ausgelöste
Grundursache der Lust und Unlust, welcher Art sie auch Sei, ihren Werth für
die Empfindung durch ihre Dauer ändere , sondern vielmehr, dass sie sich
selbst ändert, indem sie durch einen dauernden constanten Reiz doch in ab-
nehmender Stärke ausgelöst wird, wonach das, hier in Bezug auf die Reize
als äussere Ursachen der Lust und Unlust ausgesprochene Gesetz nicht auf die
letzte Grundursache derselben als übertragbar angesehen werden kann.
Bei jeder Unterbrechung der Dauer einer Einwirkung stellt
sich die ursprüngliche Empfänglichkeit ganz oder theilweise wieder
her, oder tritt in ein früheres Stadium zurück; und insofern wieder-
holte Einwirkungen Unterbrechungen voraussetzen, wird auch
_jede neue Einwirkung einem bis zu gewissem Grade aufgefrischten
Empfanglichkcitszustande begegnen, der jedoch bei relativ rasch
wiederholter Einwirkung nie in das Stadium der ersten Frische
zurückführt.
_Nach Massgabe als ein Lustreiz länger fortwirkt oder öfter
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