Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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in den Gegensatz gehen. Es erfolgt aber ein solcher Umschlag 
auch weniger leicht bei Unlustreizen als Lustreizen, wo er als 
Uebersättigung oder selbst Ekel bezeichnet wird, ist bei vielen 
Unlustreizen überhaupt nicht zu erzielen; insoweit es aber der 
der Fall ist, nicht, wie bei Lustreizen, durch Verstärkung über ein 
gewisses Mass hinaus, sondern Fortsetzung oder Wiederholung in 
schwachem oder mässigem Grade erzielbar. Diese Unterschiede im 
Verhalten von Lust- und Unlustreizen sind als factisch anzuerken- 
nen, indess eine bestimmte Erklärung derselben unstreitig nur aus 
einer genaueren Erkenntniss der psychophysisehen Grundbedingung 
der Lust und Unlust und Einrichtung unsrer Organe bezüglich 
darauf hervorgehen könnte, als uns zu Gebote steht. 
Dass durch noch so grosse Verstärkung, noch so lange Fortdauer, noch 
so häufige Wiederholung der Ursache, welche einen Zahnschmerz hervor- 
ruft, oder dem Menschen die Unlust einer Sorge bereitet], die Unlustwir- 
kung derselben sich je in eine Lustwirkung verkehren könne, wird nicht 
anzunehmen sein, doch fehlt es nicht ganz an Beispielen des Unlschlages auch 
bei Unlustquellen. Das Tabakrauchen macht Jedem Anfangs Unlust; nach 
öfterer Wiederholung macht es Lust. Die Bitterkeit des Bieres missbehagt 
den meisten Kindern, nach öfterem Trinken kann sie zur Annehmlichkeit des 
Biergenusses beitragen. Der Pechgeschmack, den der Wein in Griechenland 
durch Aufbewahrung in gepichten Schläuchen annimmt, widert beim ersten 
"Trinken einen Jeden an, wird hiegegen von dem daran Gewöhnten mit Un- 
lust vermisst. 
Man darf daraus, dass ein Reiz durch verlängerte Einwirkung seinen 
Eindruck ändert, nicht schliessen, dass die durch den Reiz in uns ausgelöste 
Grundursache der Lust und Unlust, welcher Art sie auch Sei, ihren Werth für 
die Empfindung durch ihre Dauer ändere , sondern vielmehr, dass sie sich 
selbst ändert, indem sie durch einen dauernden constanten Reiz doch in ab- 
nehmender Stärke ausgelöst wird, wonach das, hier in Bezug auf die Reize 
als äussere Ursachen der Lust und Unlust ausgesprochene Gesetz nicht auf die 
letzte Grundursache derselben als übertragbar angesehen werden kann. 
Bei jeder Unterbrechung der Dauer einer Einwirkung stellt 
sich die ursprüngliche Empfänglichkeit ganz oder theilweise wieder 
her, oder tritt in ein früheres Stadium zurück; und insofern wieder- 
holte Einwirkungen Unterbrechungen voraussetzen, wird auch 
_jede neue Einwirkung einem bis zu gewissem Grade aufgefrischten 
Empfanglichkcitszustande begegnen, der jedoch bei relativ rasch 
wiederholter Einwirkung nie in das Stadium der ersten Frische 
zurückführt. 
_Nach Massgabe als ein Lustreiz länger fortwirkt oder öfter 
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