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Sache einer Ab stumpfun g der Empfänglichkeit bezeichnet, die
um so eher und stärker eintritt, je andauernder. und öfter und in
je grösserer Stärke der Eindruck erfolgt ist.
Als eine Eigenthümlichkeit aber kann man dabei bemerken,
dass starke Unlustreize sich durch Dauer oder Wiederholung ver-
hältnissnuässig Weniger leicht und schnell abstumpfen, als starke
Lustreize, obschon eine gewisse mildernde Gewöhnung selbst an
erstre einzutreten nicht verfehlt, indess schwache oder mässige
Unlustreize sich eben so wohl, nur im Allgemeinen in längerer Zeit
bis zur Indifferenz abstumpfen können, als äquivalente Lustreize.
Ueberhaupt gehen Unlustreize in der Weise der Befolgung der hier
in Betracht kommenden Gesetze den Lustreizen nicht ganz parallel.
Sei beispielsweise die Unlust eines Zahnsehmerzes anfangs nicht grösser
als die Lust irgend eines sinnlichen Genusses, insoweit eine vergleichende
Schätzung überhaupt möglich ist; so ist doch gewiss, dass, wenn der Reiz,
der den Zahnschmerz, und der Reiz, der den sinnlichen Genuss verursacht,
welcherArt er immer sein mag, gleichmässigeinzuwirken fortfahren, der letzte
sich längst abgestumpft oder zur Uebersättigung geführt haben wird, Während
der Zahnschmerz bis zu gewissen Gränzen, je länger er währt, immer unaus-
stehlicher wird , indem sich die Periode der Frische länger erhält. Muss ihn
aber der Mensch aushalten, so gewöhnt er sich doch in gewissem Grade so
an denselben, dass er ihn besser als früher verträgt, und so bei jedem andern
Unlustreize.
Man kann fragen, inwiefern Entsprechendes als von sinnlichen auch von
höhern Quellen der Lust und Unlust "gilt. In einem anmuthigen Spiele oder
einer ernsthaften, aber födernden geistigen Beschäftigung kann man doch in
Betracht der Wechsel, die sie einschliessen , lange mit Lust verharren, ohnc
dass eine Abstumpfung sehr merklich ist. Sei es aber, dass die Lust in Be-
treff der leichten Abstumpfung allgemein in Nachtheil gegen die Unlust ist;
so ist die Unlust gegentheils in Nachtheil gegen die Lust dadurch, dass nicht
nur alle bewusste Tendenz, sondern selbst die (nach unserm Glauben nur
höher als menschlich bewusste) Tendenz, die sich in der Teleologie der
Natur verräth, dahin geht, die Quellen der Lust zu erhalten, zu mehren und
zur Verhütung der Abstumpfung zu wechseln, hiegegen die der Unlust zu
mindern und zu beseitigen. Auf die so schweren allgemeinen Fragen, die sich
überhaupt über die Lust- und Unluslökonomie in der Welt aufwerfen lassen,
kann hier natürlich nicht näher eingegangen werden.
Bei einer in Verhältniss zur Dauer hinreichend starken Ein-
Wirkung oder in Verhältniss zur Stärke hinreichenden Dauer oder
Wiederholung der Wirkung eines LusL- oder Unlustreizes kann die
Srhwächung der anfänglichen Wirkung selbst bis zum Umschlag