Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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mit dem spätern, indess ein lange fortgesetzter, wenn auch schwa- 
cher, Genuss eine Abstumpfung oder Uelaersättigung, hieinit einen 
Erfolg begründet, wodurch der nachherigen Verstärkung Abbruch 
geschieht. 
In Rücksicht des Vorstehenden giebt man bei einem Gastinale 
die feinem edleren wohlschmeckenderen Weine nicht zuerst, son- 
dern zuletzt; und zwar erst, nachdem die geringern Weine eine 
Weile ihre Wirkung gethan haben, indess es nicht räthlich sein 
würde, jene bis zur Abstumpfung der Genussfähigkeit für diese 
zu verschieben; denn danach leisten die schlechten Weine fast 
so viel als die bessten; und hierauf scheint die bekannte Aeusserung 
des Kellermeisters bei der Hochzeit zu Cana gezielt zu haben. 
Dass doch ein Glas starken edlen Weines als Madera, Portwein, 
mancher Orten (so in den deutschen Ostseeprovinzen Russlands" 
sogar Liqueure den Eingang der Tafel machen, hat theils nur den 
Nebenzweck, den Appetit zu reizen, daher auch keine Wieder- 
holung stattfindet; theils weicht der Geschmack und Reiz davon 
so weit von dem der übrigen bei der Tafel gebotenen Vtieine ab, um 
in die Contrastfolge derselben nicht wesentlich störend einzu- 
greifen. 
Graf Algarotti hatte in Venedig für den Kurfürsten von Sachsen 
eine Anzahl Gemälde, Welche noch jetzt die Dresdener Gallerie 
zieren, darunter als Hauptstück-die Holbeinsche Madonna, angekauft, 
und berichtet in seinen Briefen über diesen Ankunft"), owie die 
Künstler Venedigs zu ihm Wallfahrten, um diess herrliche Werk 
zu sehen, und dass er ihnen seine Carlo ltlarattils und Bassanols 
klüglich vorher gezeigt habe, um sie dann, wie man den Tokayer- 
wein zuletzt gibt, mit dem süssesten Geschmack im Munde, mit 
dem Anblick der Maria Holbeins zu entlassene Algarotti brachte 
also hier bezüglich eines Kunstgenusses dasselbe Princip in An- 
Wendung, was allgemein bei Tafelgenüssen angewandt wird, und 
macht selbst die Analogie beider Fälle geltend. 
Es kann jemand dem Andern zu Weihnachten oder zum Ge- 
burtstage einmal ein kleineres, ein anderesmal ein grösseres Ge- 
schenk machen; aber welcher Unterschied im Resultate, 0b das 
grössere oder kleinere vorangebt oder folgt. Folgt das grössere, so 
wird der Empfänger von dem Zuwachse freudig überrascht sein, 
l-iübnefs Einleitung z. 
Verz. 
Dresdner Gen). 
Gal
	        
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