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allgemein als Constrastwirkung bezeichnen, wenn schon im ge-
wöhnlichen Sprachgebrauche blos Wirkungen dieser Art, welche
von stärkern Gegensätzen abhängen, so bezeichnet zu werden
pflegen. So übt schon rücksichtslos auf ästhetische Mitbestimmung
der Gegensatz von Schwarz und Weiss, Roth und Grün eine Wir-
kung auf das Auge, die nicht als Summe der Wirkungen erklärt
werden kann, Welche Schwarz und Weiss, Roth und Grün für sich
zu äussern vermochten, und vermöge deren das Schwarz schwär-
zer, das Weiss weisser, das Roth röt-her, das Grün grüner erscheint,
als für sich betrachtet. S0 erscheint ein grosser Mann einem Rie-
sen und vollends einem Volk von Riesen gegenüber klein, ein
kleiner Mann einem Zwerge oder Zwergenvolk gegenüber gross.
Aber nicht diese abändernde Wirkung auf den Eintlruck der ein-
zelnen Reize allein kommt hiebei in Betracht, sondern der Gegen-
satz Wirkt mit der Kraft eines eigenthümlichen Reizes, wodurch
der Geist in einer Weise beschäftigt wird, wie es durch keinen
einzelnen Reiz geschehen kann.
Was nun in dieser Beziehung von ästhetisch indifferenten
Reizen gilt, gilt auch von ästhetisch differenten, so dass man im
Allgemeinen sagen kann: das Lustgebende giebt um so mehr Lust,
je mehr es in Contrast mit Unlustgebendem oder weniger Lust-
gebendem tritt, wozu ein entsprechender Satz für das Unlust-
gebende tritt. Und der empfundene oder vorgestellte Gegensatz
selbst beschäftigt dabei die Seele in eigenthümlicher Weise.
Jedes Kunstwerk gewinnt, wenn wir es mit minder vollende-
ten Kunstwerken derselben Art oder Gattung vergleichen, und ver-
liert, wenn wir es mit vollkommneren vergleichen. Kenner, welche
die Kunst in ihrer Entwickelung verfolgen, können grpsses Gefallen
an sehr unvollkommenen Kunstwerken finden, indem sie den
Fortschrittt gegen die früheren unvollkommneren in Betracht zie-
hen, indess Nichtkenner, welchen die historische Beziehung nicht
geläufig ist, sie rücksichtslos darauf nach dem Vergleiche mit den
jetzigen vollkommenern Kunstwerken missfällig finden.
Jedoch bedarf es zum wirklichen Hervortreten einer Contrast-
wirkung im angegebenen Sinne der Erfüllung dreier Bedingungen:
a) der Unterschied der Factoren des Contrastes wie die Empfäng-
lichkeit für die Auffassung des Unterschiedes und die Aufmerksam-
keit darauf muss eben so eine gewisse Schwelle übersteigen, als
für den einzelnen Factor. Kurz, das Th. I. S. 49 besprochene