Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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aber gar zu viel vom Sinnesreiz entziehen wirkt deprimirend auf 
den ganzen Geist. Bücher, Weiss auf Schwarz statt umgekehrt 
gedruckt würden nur in eine Bibliothek des Erebus passen. Am 
_wenigsten sagt das Schwarz der Jugend, dem weiblichen Ge- 
schlecht und" sinnlichen uncultivirten Völkern zu, wogegen es um 
so leichter die Farbe und das Weiss in der Kleidung und sonst 
verdrängt,  mehr durch Alter, Geschlecht, Bildungsstand die 
Neigung zu abstracten Beschäftigungen, die Lust, in sich einzu- 
kehren und sich vom Sinnesreize abzukehren, zunimmt. Schwarz 
gekleidete kleine Kinder und schwarz gekleidete rohe Völker giebt 
es daher nicht, indess es Kindern, namentlich weiblichen, nicht 
widerstrebt, weiss gekleidet zu werden und bei Arabern und 
Hindus weisse Trachten vorkommen. Frauen kleiden sich nicht 
leicht anders als in Trauer, höherem Alter und für die Kirche 
schwarz, indess Schwarz geradezu das Feierkleid und Gesell- 
schaftskleid der ltltinnei" geworden ist. 
G. Hermann tästh. Farbenlehre S.  bemerkt, dass, vwenn 
Weiss und Schwarz in Verbindung mit einander auftreten, das 
natürliche Verhältniss dieses sei, dass Weiss die Basis, Schwarz 
aber das Aufgetragene oder die Decke bildete, was ich jedoch nur 
in so fern zugestehen möchte, als wir nach oben gemachter Be- 
merkung allgemeingesprochen Weiss im Uebergewicht gegen 
Schwarz zu sehen lieben, das Aufgetragene aber in der Regel 
weniger Baum als die Grunfltiche einnimmt; und wahrscheinlich 
würden wir Kupferstiche, die übrigens in ihren wesentlichen 
Theilen doch auch noch Weiss genug enthalten, nicht mit so viel 
Weiss am Bande umgeben, w enn nicht das Auge dadurch für das 
viele Schwarz entschädigt werden sollte. 
Was mir direct gegen Hermann zu sprechen scheint, ist, dass 
wir bei verticaler Uebereinanderlagerung von Flachen das Weiss 
und überhaupt Hellere oben, das Schwarz oder Dunklere unten zu 
sehen verlangen. Nie wird man finden, dass die Wandflache eines 
Zimmers dunkler als die Lamperie im untern Theile derselben und 
die Decke dunkler als die Wände ist, sondern stets ist es um- 
gekehrt; und jeder sagt sich, dass es schlecht aussehen würde, 
wenn es nicht so wäre; man hätte den Eindruck, als wenn das 
Schwere über dem Leichten lagerte. Sehr eigen allerdings, dass 
das Hellere, was das Auge mit mehr Kraft reizt, dem Gewicht- 
loseren analog erscheint, aber es ist so. 
Fechner, Vorschule d. Aesthetik. 11. 4 E;
	        
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