225
aber gar zu viel vom Sinnesreiz entziehen wirkt deprimirend auf
den ganzen Geist. Bücher, Weiss auf Schwarz statt umgekehrt
gedruckt würden nur in eine Bibliothek des Erebus passen. Am
_wenigsten sagt das Schwarz der Jugend, dem weiblichen Ge-
schlecht und" sinnlichen uncultivirten Völkern zu, wogegen es um
so leichter die Farbe und das Weiss in der Kleidung und sonst
verdrängt, mehr durch Alter, Geschlecht, Bildungsstand die
Neigung zu abstracten Beschäftigungen, die Lust, in sich einzu-
kehren und sich vom Sinnesreize abzukehren, zunimmt. Schwarz
gekleidete kleine Kinder und schwarz gekleidete rohe Völker giebt
es daher nicht, indess es Kindern, namentlich weiblichen, nicht
widerstrebt, weiss gekleidet zu werden und bei Arabern und
Hindus weisse Trachten vorkommen. Frauen kleiden sich nicht
leicht anders als in Trauer, höherem Alter und für die Kirche
schwarz, indess Schwarz geradezu das Feierkleid und Gesell-
schaftskleid der ltltinnei" geworden ist.
G. Hermann tästh. Farbenlehre S. bemerkt, dass, vwenn
Weiss und Schwarz in Verbindung mit einander auftreten, das
natürliche Verhältniss dieses sei, dass Weiss die Basis, Schwarz
aber das Aufgetragene oder die Decke bildete, was ich jedoch nur
in so fern zugestehen möchte, als wir nach oben gemachter Be-
merkung allgemeingesprochen Weiss im Uebergewicht gegen
Schwarz zu sehen lieben, das Aufgetragene aber in der Regel
weniger Baum als die Grunfltiche einnimmt; und wahrscheinlich
würden wir Kupferstiche, die übrigens in ihren wesentlichen
Theilen doch auch noch Weiss genug enthalten, nicht mit so viel
Weiss am Bande umgeben, w enn nicht das Auge dadurch für das
viele Schwarz entschädigt werden sollte.
Was mir direct gegen Hermann zu sprechen scheint, ist, dass
wir bei verticaler Uebereinanderlagerung von Flachen das Weiss
und überhaupt Hellere oben, das Schwarz oder Dunklere unten zu
sehen verlangen. Nie wird man finden, dass die Wandflache eines
Zimmers dunkler als die Lamperie im untern Theile derselben und
die Decke dunkler als die Wände ist, sondern stets ist es um-
gekehrt; und jeder sagt sich, dass es schlecht aussehen würde,
wenn es nicht so wäre; man hätte den Eindruck, als wenn das
Schwere über dem Leichten lagerte. Sehr eigen allerdings, dass
das Hellere, was das Auge mit mehr Kraft reizt, dem Gewicht-
loseren analog erscheint, aber es ist so.
Fechner, Vorschule d. Aesthetik. 11. 4 E;