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etwas auf Kleiderfarben gicbt, ist Purpur und Scharlach sein
Praehtkleid. Indem aber die Jugend activerc Erregungen den re-
eeptiveren im Allgemeinen verzieht, entsteht dadurch bei der
Jugend des weiblichen Geschlechts ein Conllict; wonach ein sehr
kleines Mädchen doch ein Scharlachkleid einem anilin- oder berliner-
blauen noch Vorziehen, und die lebensfrohe Jungfrau sich noch
des Rosaballkleides erfreuen kann, was so gut zu ihrer Lust am
acliven Tanze stimmt, und wie die kleinen Mädchen bei uns ver-
halten sich auch die erwachsenen Frauen bei rohen Völkern.
Allgemeingesprochen lieben Kinder überhaupt die Farben
mehr als Erwachsene, Frauen mehr als llrliinner; Kinder, weil
sie überhaupt für sinnliche, Frauen, weil sie für receplivc An-
regungen empfäinglichei" sind; Farben aber gehören zu den sinn-
lichen und receptiven Anregungsmitteln zugleich. Rohe Völker
verhallen sich auch in dieser Hinsicht wie Kinder. Bei freier Wahl
zwischen einem schwarzen, weissen und farbigen Kleide wird
daher das Kind, mindestens das weibliche, sicher nach dem farbigen
greifen; das schwarze oder weisse wird ihm blos octroyirt; die
erwachsene gebildete Frau kann auch nach dem weissen oder
schwarzen greifen, eben weil sie erwachsen und gebildet ist, wo-
durch associative Momente mannichfachster Art in Wirkung treten ;
aber im Durchschnitt sieht man doch ungleich mehr farbige Kleider
in der Frauenwelt als Männerwelt; im Steile bunte oder gemusterte
sogar fast nur in der Frauenwelt; und so sehr die Mode wechselt,
so lässt sie doch diess Verhältniss im Allgemeinen bestehen. Rohe
Völker, die nicht viel von Kleidung halten, bemalen und tättoxiviren
gar ihren nackten Leib roth oder bunt. Je mehr aber die Bildung
eines Volkes steigt, desto mehr tritt der sinnliche Geschmack an
Farbe zurück und kommt dafür der associative der Angemessen-
heit zur Geltung.
Unstreitig Würde es interessant sein, die Abänderungen der
Farbenliehhaberei insbesondere an Kleidung und Architektur durch
die verschiedenen Zeiten und Völker vergleichend zu verfolgen;
auch liegt (lau-über viel in einzelnen Zusammenstellungen vor,
doch wüsste ich nicht, dass die Aufgabe in einiger Ausdehnung
methodisch-pragmatisch (lurchgeführt worden sei. Unsre heutige
Zeit und Cultur steht Wohl so ziemlich an einem Extrem der
Farlicnverachtung. Noch nicht so lange ist es her, dass grüne und
blaue Frncks mit blanken Knöpfen noch helichl. und alle Regen-