Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

221 
etwas auf Kleiderfarben gicbt, ist Purpur und Scharlach sein 
Praehtkleid. Indem aber die Jugend activerc Erregungen den re- 
eeptiveren im Allgemeinen verzieht, entsteht dadurch bei der 
Jugend des weiblichen Geschlechts ein Conllict; wonach ein sehr 
kleines Mädchen doch ein Scharlachkleid einem anilin- oder berliner- 
blauen noch Vorziehen, und die lebensfrohe Jungfrau sich noch 
des Rosaballkleides erfreuen kann, was so gut zu ihrer Lust am 
acliven Tanze stimmt, und wie die kleinen Mädchen bei uns ver- 
halten sich auch die erwachsenen Frauen bei rohen Völkern. 
Allgemeingesprochen lieben Kinder überhaupt die Farben 
mehr als Erwachsene, Frauen mehr als llrliinner;  Kinder, weil 
sie überhaupt für sinnliche, Frauen, weil sie für receplivc An- 
regungen empfäinglichei" sind; Farben aber gehören zu den sinn- 
lichen und receptiven Anregungsmitteln zugleich. Rohe Völker 
verhallen sich auch in dieser Hinsicht wie Kinder. Bei freier Wahl 
zwischen einem schwarzen, weissen und farbigen Kleide wird 
daher das Kind, mindestens das weibliche, sicher nach dem farbigen 
greifen; das schwarze oder weisse wird ihm blos octroyirt; die 
erwachsene gebildete Frau kann auch nach dem weissen oder 
schwarzen greifen, eben weil sie erwachsen und gebildet ist, wo- 
durch associative Momente mannichfachster Art in Wirkung treten ; 
aber im Durchschnitt sieht man doch ungleich mehr farbige Kleider 
in der Frauenwelt als Männerwelt; im Steile bunte oder gemusterte 
sogar fast nur in der Frauenwelt; und so sehr die Mode wechselt, 
so lässt sie doch diess Verhältniss im Allgemeinen bestehen. Rohe 
Völker, die nicht viel von Kleidung halten, bemalen und tättoxiviren 
gar ihren nackten Leib roth oder bunt. Je mehr aber die Bildung 
eines Volkes steigt, desto mehr tritt der sinnliche Geschmack an 
Farbe zurück und kommt dafür der associative der Angemessen- 
heit zur Geltung. 
Unstreitig Würde es interessant sein, die Abänderungen der 
Farbenliehhaberei insbesondere an Kleidung und Architektur durch 
die verschiedenen Zeiten und Völker vergleichend zu verfolgen; 
auch liegt (lau-über viel in einzelnen Zusammenstellungen vor, 
doch wüsste ich nicht, dass die Aufgabe in einiger Ausdehnung 
methodisch-pragmatisch (lurchgeführt worden sei. Unsre heutige 
Zeit und Cultur steht Wohl so ziemlich an einem Extrem der 
Farlicnverachtung. Noch nicht so lange ist es her, dass grüne und 
blaue Frncks mit blanken Knöpfen noch helichl. und alle Regen-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.