Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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es am stärksten si nnlicb reizt, am meisten vom Aller und vom 
'I.'rappistcn verabscheut. Seltener als irgend eine andre Farbe bildet 
bei cultivirten Völkern kraftiges Roth die Ilauptfarbe eines ganzen 
Kleides öder eines ganzen Zimmers. Ein jeder sagt sich, dass ein 
ganz und immer rother Himmel stattdes blauen, eine ganz und 
immer rothe Erde, statt der grünen, nicht auszuhalten wären; das 
Auge würde sich davon wie ausgebrannt finden. Iliegegen würde 
eine blau bewachsene Erde statt der grünen uns aus dem ent- 
gegengesetzten Gcsiehtspuncte nicht zusagen; das Auge würde auf 
die Länge die hinreichende Erregung vermissen, ihm flau zu 
Muthc werden, indem man überhaupt mit Flauheit den Zustand 
einer reeeptiven Erregung bezeichnet, die nicht hinreichend stark 
ist zu befriedigen, und wahrscheinlich rührt flau selbst von blau 
her. Iliegegen werden wir das Grün, was in erregender Kraft 
zwischen Both und Blau steht, so zu sagen nicht satt. Dabei wollen 
wir zwar nicht vergessen, dass zum Missfallen an einer rothen 
oder blauen Erde auch beitragen würde, dass wir das Leben und 
Wachsthum der Pflanzen nur an das Grün haben associircn lernen, 
und eine roth oder blau bewachsene Erde uns nicht mehr gesund 
überwachsen erscheinen würde; was associative Mitbestimmungen 
sind ; aber abgesehen davon fühlen wir, dass ein Gang durch grüne 
Wiesen und Wälder dem Auge-auf die Längqdirect wohler thun 
muss, als es durch rothe oder blaue sein könnte. 
Diess hindert nicht, dass wir uns des zeitweisen Blickes in 
den blauen Himmel erfreuen; ja es gewährt eine wahre Er- 
quickung, ein von einem sonnigen Wege gereiztes und ermüdetcs 
Auge eine Zeit lang in den vollen blauen Ilimmel zu richten. Zwar 
der Schluss der Augen würde eine noch vollkommnere Ruhe mit- 
bringen. Aber wir ziehen es ja auch sonst bei einer nur nicht gar 
zu starken Ermüdung während des Tages vor, statt durch reine 
Passivität oder Schlaf vielmehr bei einer schwachem und anders- 
gearteten Beschäftigung auszuruhen. In der Regel sehen wir doch 
vom blauen Ilimmel mit unsern hauptsächlich vorwärts und ab- 
wärts gerichteten Augen nur ein Stück vor uns, und der selten 
fehlende Wechsel der Bläue mit Trübe, Bewölkung und Roth lässt 
es um so weniger zu dem Gefühl der Flauheit kommen. 
Unterschiede nach Geschlecht und Alter anlangend, so wird 
das aelivere Roth vcrhältniss massig vom Mann, das receptivere 
Blau von der Frau vorgezogen, und so lange der Mann überhaupt
	        
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