Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

Als allgemeinste Bedingungen vollendeter Kunstschöitheit 
kann man vier aufstellen, erstens, dass das Ganze durch das Da- 
sein jedes einzelnen Theiles an lustzeugender Kraft gewinnt: 
zweitens, dass es durch Hinzufügung irgend andrer Theile daran 
verlieren würde; drittens, dass es durch die Verknüpfung der 
Theile an lustzeugender Kraft über die Wirkung der Summe der 
einzelnen hinaus, wie man auch die Zerlegung vornehme, ge- 
winne; Viertens, dass durch keine andre Verknüpfungsweise der 
Theile mehr gewonnen werde. Natürlich kann eine solche vollen- 
dete Schönheit nur als ein Ideal betrachtet werden, dem sich der 
Künstler so viel als möglich anzunähern suchen muss. 
Die Natur kümmert sich so zu sagen wenig um Erfüllung die- 
ser Bedingungen. In wenig Landschaften stimmen alle Partien so 
zusammen, dass jede wirklich durch Verbindung mit den übrigen 
den Reiz des Ganzen erhöht, die Landschaftsmalerei muss da im- 
mer nachhelfen, und so zumeist die Kunst der Natur, soll ein voll- 
kommen schönes Werk entstehen. Hiegegen nehme man aus einem 
vollendeten Kunstwerke heraus, was man will, ein grosses, kleines 
Stück, diess oder jenes, zerlege das Werk in viel oder wenig Theile, 
man wird aus den gesonderten Theilen nie so viel Lust im Ganzen 
schöpfen können, als man aus ihrer Vereinigung schöpfen konnte. 
Liesse sich bei einem Gemälde, Gedichte oder sonst einem Kunst- 
werke irgend eine Zerlegung in Theile finden, durch deren geson- 
derte Auflassung man im Ganzen gewönne, so würde es eben in 
dieser Zerlegung vorzuführen sein. Von andrer Seite ist selbstver- 
ständlich, dass, wenn ein Kunstwerk durch Hinzufügung eines 
Theiles noch gewinnen könnte, so wurde dieses ergänzte Kunst- 
werk das vollendetere sein; aber schon der Umstand, dass der zu 
grossen Theilung der Aufmerksamkeit gewehrt werden und ein bei 
vielen Theilen schwer zu erhaltendes kräftiges Gefühl einheitlicher 
Verknüpfung gewahrt werden muss, setzt hierin Granzen. 
Die obigen Foderungen an die Vollkommenheit eines Kunst- 
werkes stimmen so sehr mit den Foderungen an die Vollkommen- 
heit eines Organismus überein, dass Manche den organischen Cha- 
rakter eines Kunstwerkes als Hauptcharakter desselben geltend 
machen. Inzwischen handelt es sich bei der organischen Einrich- 
tung von Kunstwerken mehr um die unmittelbare Erfüllung von 
Lustzwecken, bei der von pflanzlichen, thierischen und mensch- 
lichen Organisationen um allgemeine Lehenszwecke. Auch kann der
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.