Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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anders 
als 
das 
natürliche 
Licht 
malt 
doch 
solches 
die 
Schat- 
tirung hinein. 
Wohl als der gewichtigste, daher fast überall wiederkehrende 
ElUWRHLl gilt der, dass man, wenn zur Gestalt die Farbe gegeben 
ist, um so mehr die Bewegung vermisse, und durch das starre Ent- 
gegentreten der, das Leben nach zwei Seiten nachäffenden, damit 
aber doch nicht zum Leben erweckten, Gestalt einen unheimlichen 
grausenhaften Eindruck empfange; was nicht der Fall sei, wenn 
blos die abstracte Gestalt gegeben werde; diese lasse den Anspruch, 
das volle Leben zu sehen, gar nicht aufkommen, indem sie sich 
unmittelbar nur als Wiedergabe einer Seite desselben darstelle. 
Bei Geltendmachung dieses Einwurfes bezieht man sich so regel- 
mässig auf den Eindruck, den die Figuren in Wachsfigurencabi- 
neten machen, dass jemand diese Figuren gelegentlich die nun- 
glücklichena genannt hat, weil sie überall dazu herhalten müssen, 
das Verbot der naturwahren Malerei an Statuen zu stützen. 
Nun ist aber gewiss, dass schon die volle Gestalt ohne Farbe 
uns genug an den vollen Menschen erinnert, um das Uebrige ausser 
der Gestalt vermissen zu lassen, wenn wir nicht durch eine Ge- 
wohnheit dagegen abgestumpft würden, die, wenn sie für die far- 
bigen Statuen eben so statt fände, ihnen eben so zu Statten kommen 
würde. Ja, wenn wir nicht gewohnt wären, weisse Statuen zu 
sehen, würden sie uns als gespensterhafte Wesen vielleicht noch 
mehP"), und selbst gemalte Porträts ohne Gewöhnung fast eben so 
sehr als bemalte Wachsfiguren erschrecken; wie ich mich denn 
erinnere gelesen zu haben, dass einWilder, dessen Kopf von einem 
Maler portraitirt wurde, sich es ruhig gefallen liess, bis die Farbe 
dazu kam; da lief er erschrocken davon. Wir sind so zu sagen 
noch solche Wilde in Bezug auf bemalte Statuen. Nachdem wir 
uns aber unserseits an das lebenswahr gemalte Porträt schon von 
Kindesbeinen an gewöhnt haben, bedürfte es vielleicht nicht ein- 
de) Hiezu ein Geschichtchen, was Herodot und Pausanias von einer 
Kriegslist erzählen , deren sich die Phocier einst im Kriege gegen die 'l'l1essa- 
lier bedienten, um sie zu schrecken. Fiinfhundert ihrer tapfersten Männer 
bestrichen sich sammt ihren Rüstungen ganz und gar mit weissem Gips und 
rückten zur Nachtzeit  es war gerade Vollmond  gegen das Lager der 
Tll0SSüll0l' an; diese glaubten Gespenster zu sehen, und wagten nicht, die 
WalTen zu ergreifen, so dass ein grosses Blutbad unter ihnen angerichtet 
ward. (Kilglerltluseum. 4835. S. 79.)
	        
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