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anders
als
das
natürliche
Licht
malt
doch
solches
die
Schat-
tirung hinein.
Wohl als der gewichtigste, daher fast überall wiederkehrende
ElUWRHLl gilt der, dass man, wenn zur Gestalt die Farbe gegeben
ist, um so mehr die Bewegung vermisse, und durch das starre Ent-
gegentreten der, das Leben nach zwei Seiten nachäffenden, damit
aber doch nicht zum Leben erweckten, Gestalt einen unheimlichen
grausenhaften Eindruck empfange; was nicht der Fall sei, wenn
blos die abstracte Gestalt gegeben werde; diese lasse den Anspruch,
das volle Leben zu sehen, gar nicht aufkommen, indem sie sich
unmittelbar nur als Wiedergabe einer Seite desselben darstelle.
Bei Geltendmachung dieses Einwurfes bezieht man sich so regel-
mässig auf den Eindruck, den die Figuren in Wachsfigurencabi-
neten machen, dass jemand diese Figuren gelegentlich die nun-
glücklichena genannt hat, weil sie überall dazu herhalten müssen,
das Verbot der naturwahren Malerei an Statuen zu stützen.
Nun ist aber gewiss, dass schon die volle Gestalt ohne Farbe
uns genug an den vollen Menschen erinnert, um das Uebrige ausser
der Gestalt vermissen zu lassen, wenn wir nicht durch eine Ge-
wohnheit dagegen abgestumpft würden, die, wenn sie für die far-
bigen Statuen eben so statt fände, ihnen eben so zu Statten kommen
würde. Ja, wenn wir nicht gewohnt wären, weisse Statuen zu
sehen, würden sie uns als gespensterhafte Wesen vielleicht noch
mehP"), und selbst gemalte Porträts ohne Gewöhnung fast eben so
sehr als bemalte Wachsfiguren erschrecken; wie ich mich denn
erinnere gelesen zu haben, dass einWilder, dessen Kopf von einem
Maler portraitirt wurde, sich es ruhig gefallen liess, bis die Farbe
dazu kam; da lief er erschrocken davon. Wir sind so zu sagen
noch solche Wilde in Bezug auf bemalte Statuen. Nachdem wir
uns aber unserseits an das lebenswahr gemalte Porträt schon von
Kindesbeinen an gewöhnt haben, bedürfte es vielleicht nicht ein-
de) Hiezu ein Geschichtchen, was Herodot und Pausanias von einer
Kriegslist erzählen , deren sich die Phocier einst im Kriege gegen die 'l'l1essa-
lier bedienten, um sie zu schrecken. Fiinfhundert ihrer tapfersten Männer
bestrichen sich sammt ihren Rüstungen ganz und gar mit weissem Gips und
rückten zur Nachtzeit es war gerade Vollmond gegen das Lager der
Tll0SSüll0l' an; diese glaubten Gespenster zu sehen, und wagten nicht, die
WalTen zu ergreifen, so dass ein grosses Blutbad unter ihnen angerichtet
ward. (Kilglerltluseum. 4835. S. 79.)