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dagegen, dass es um Naturnachahmung dabei zu lllUIl gewesen
wonach sich natürlich fragt, um was dann. Was Jahn darüber
sagt, trilit jedenfalls die Ilauptschwierigkeit nicht; denn war ein-
mal das Gewand mit Haar, Auge, Mund farbig gehalten, so konnte
ein nach irgendwelchen] andern Princip als der Natürlichkeit gefärb-
tes Fleisch damit nur entweder ein widerliches Farbcngemeng oder
eine Farbenzusammenstellung geben, wie sie sich wohl für einen
Teppich, aber nicht für ein Bild des Lebendigen ziemt; doch
scheint Jahn (wie Semper) das Princip eines solchen Farbenkunst-
Stücks als Hauptprincip im Auge gehalten zu haben.
I-laben sich nun doch die Griechen eine Polychroniie, wie man
sie ihnen so oder so zuschreibt, gefallen lassen, was wir schliess-
lieh glauben müssen, wenn die sachliche Untersuchung endgültige
Beweise dafür beizubringen vermag, so könnte es meines Erach-
tens nur vermöge einer irgendwie vermittelten Kunstgewöhnung
sein, worin sie nachzuahmen wir in der That keinen Anlass haben
dürften, und von der zwar vielleicht einigcrmassen zu verstehen
ist, wie sie aus rohsten Anfängen religiöser Kunst hervorgehen und
sich bis zu gewissen Gränzen durch 'l'radition forterhalten, kaum
aber, wie sie auch durch die Zeiten des geläutertsten Geschmacks
hindurch fortbestehen konnte.
Nach Allem sieht man wohl, dass die Frage über die Zulässig-
keit bemalter Statuen durch Berufung auf die Alten überhaupt
nicht zu entscheiden ist und vielmehr dadurch verwirrt zu werden
droht, als erläutert oder gar erledigt werden kann, einmal, weil
wir noch nicht genau wissen, wie weit sie in der Malerei giengen
und welches Princip dabei für sie massgebend war; zweitens,
wenn wir es wüssten, noch die Frage bliebe, ob wir ihrer Autori-
tät darin zu folgen haben. Also sehen wir ferner ab von dieser
Berufung. So viel scheint mir zweifellos, dass eine in sich conse-
quente, in der Hauptsache auf Naturwahrheit zielende, nur stili-
stischen Nebenrücksichten dabei Rechnung tragende, volle Bemalung
der Statuen eine grössere Berechtigung haben müsste, als die halbe
i") S0 u. a. auch Semper (in Stil I. 548), welcher annimmt, dass die
nackten Theile der lilarinorslattlen bei den Griechen mit einem allgemeinen
Farbenton überzogen gewesen Sind, um sie mit den Farben der Beiwerke und
der besonders gefärbten nackten 'l'heile nin Einklanga in bringen, ohne dass
man ein vnaturalistisehes Nachäffem bei den Griechen vorauszuselzen habe.