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fortgeschrittene Kunst der Jetztzeit aber besteht auf dieser Theilung,
und der jetzige Geschmack stellt gebieterisch diese Federung. Um
zu verlernen, dass es Farbe giebt, gehe man in ein Antikenkabinet
oder eine Gipssammlung, und um die Gründe dieser Verbannung
der Farbe von der Gestalt zu erfahren, schlage man unsere ästhe-
tischen Lehrbücher oder die mancherlei Specialabhandlungen, die
diesem Gegenstande besonders gewidmet sind, auf, und man wird
der Gründe so viele und vielerlei finden, dass sogar ihr Gewicht
durch ihre Menge verdächtigt werden könnte.
im Grunde freilich erscheint das Verbot, der Gestalt die ihr
natürliche Farbe zu geben, nur als die Parallele zugleich und Er-
gänzung des Verbotes, dem Gemälde den vollen Schein des Reliefs
zu gehen. Keine Kunst soll der andern in das Ilandwerk pfuschen,
noch vergessen, dass, um Kunst zu sein, sie nicht die Natur ganz
nachahmen muss. Mag es jede nur von einer Seite thun, um die
Natur selbst von dieser Seite zu überbieten, nicht die Aufmerk-
samkeit zu zerstreuen, nicht die Phantasie um die ihr zustehende
Leistung zu verkürzen, nicht durch das Zuviel, was sie von ge-
wisser Seite giebt, das doch fehlende Leben um so mehr vermissen
zu lassen, und dadurch den Eindruck unheimlicher Starrheit zu
erzeugen.
Mit weniger Worten kann ich Wohl nicht die hier und da vor-
gebrachten Gründe der herrschenden Ansicht zusammenfassen;
eingehender wird unten darauf zurückzukommen sein.
Nachdem nun so zu sagen durch Acclamation der Stimmen
und Gründe gegen die ästhetische Zulässigkeit bemalter Statuen,
mindestens naturwahr bemalter, entschieden ist, mag es in der Thnt
misslich sein, noch ein Wort zu Gunsten derselben zu Wagen. Doch
will ich im Folgenden zu zeigen suchen, dass nach allen bisher da-
gegen vorgebrachten Gründen die Frage noeh eine ganz offene bleibt,
und sich erst durch Erfahrungen wird entscheiden lassen, die zu-
länglich noch gar nicht vorliegen. llleinerseits gestehe ich, dass ich,
ohne selbst der Zukunft mit einer bestimmten Entscheidung vor-
greifen zu können, doch nach folgender Erwägung der einschlagen-
den Gründe und Thatsachen mehr geneigt bin, zu glauben, dass sich
die Frage dereinst zu Gunsten als Ungunsten einer Kunst bemalter
Statuen entscheiden wird, und zwar, um die gewagte Aeusserung
von vorn herein in voller Bestimmtheit zu thun, zu Gunsten einer im
Wesentlichen naturwahren ltlalerei der Statuen. Und um auch die
F e eh n e r, Vorschule
Aesth