Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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noch ganz anderm (iewiehte auf, als bei denen der (ienrebilder. 
Eine Weintraube, eine Pfirsich, ein geschlachteter llaase, ein Wein- 
kelch in halber Naturgrösse dargestellt, würden uns im Bilde 
leicht einen tihnliehen Eindruck des Zworghaften oder Verbutteten 
machen, als in der Natur. Der Reiz solcher Darstellungen hängt 
vielmehr ganz wesentlich daran, dass der Künstler so zu sagen die 
Natur selbst in einem nur anmuthigern Arrangement und in schönem 
Exemplaren als die Wirklichkeit zu zeigen pflegt, zur Anschauung 
bringt, und es besteht sogar ein Gesiehtspunet der ldealisirung 
darin, die Blumen und Früchte, wenn auch nicht widernatiirlich 
gross, ziber in ungewöhnlich grosseu Exemplaren darzustellen. 
Nun müssen die Bilder aber auch,  falls wir überhaupt solche 
Darstellungen haben wollen  die Grösse erhalten, welche zur 
Aufnahme einer reichlichen Naturgrösse und zugleich zu einer ge- 
wissen Vervielftiltigung der Gegenstäintle nöthig ist, weil sie nur 
mit ltüeksieht auf eine gewisse lllannichfaltigkeit und Zusammen- 
stellung interessiren; und hie-durch werden sie durchschnittlich 
über die Genrebilder hinaufgetrieben, bei denen das Interesse an 
dem geistigen lnhalt der Seene und Charakter der Personen unab- 
hängig von der natürlichen Grössontlarstellung befriedigt wer- 
den kann.  
Porträts Inacht man bekanntlich entweder genau in natürlicher 
(irösse oder beträchtlich unter derselben; nur bei monumentaler 
Darstellung nicht selten kolossal, nicht gern jedenfalls von einer 
der Natur sich annahernden Grösse. Unstreitig nun Inacht sich bei 
Porträts das Interesse an einer getreuen Wiedergabe der Natur- 
grösse von gewisser Seite noch mit grösstrrem Gewichte geltend, 
als bei den Gegenständen der Stillleben; wir wollen den Men- 
schen im Porträt haben, wie er leibte und lebte; also tritt die 
Naturgrösse überall als Normalgrösse für Porträtts auf; von anderer 
Seite aber ist in Verhaltniss zu dem Charakter und Ausdruck der 
Zuge die absolute Grösse ein so unbedeutendes Moment, dass wir 
sie derMögliehkeit, jenen getreu aufbewahrt zu sehen, leicht opfern, 
und daher keinen Anstand nehmen, Porträts in kleinerem Mass- 
stabe, selbst in Miniatur, darzustellen, wo aussere Gründe der 
Wiedergabe in richtiger Grösse entgegenstehen; während wir, 
wenn bei Stillleben dasselbe Opfer gebracht werden sollte, nicht 
genug Interesse mehr an der ganzen Darstellung übrig behalten 
würden, um solche überhaupt noch zu wollen.
	        
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