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kommt die Grösse den BeLLelbuhenliiildern insofern zu stauen, als
sie ohne zu starken Widerspruch mit der Sehickliehkeitsrüeksichl
gestattet, die Buben in ihrer natürlichen Grösse zu geben, indess
wir es unerträglich finden würden, wenn sie nur eine Spur über
die vorausselzliehe Nnturgrösse übertrieben würden, du hier der
Eindruck der Unnatur mit dem der Unsehieklichkeit, in gleicher
Richtung zusammenträfe.
Anstatt also die Grössc der Murilloschen Bettelbubenbildcr
durch ihren historischen Charakter zu erklären, Inöchte ich sie
vielmehr aus gerade entgegengesetzten] Gesichtspunctc dadurch
erklären, dass der natürliche Anspruch des genrehaften Charakters,
die (iegenständc aus dem Leben gegriilen in möglichster Natur-
wahrheit darzustellen, hier zum Uebergetvicht der Geltung ge-
kommen ist, während in der Regel eine Zucht der Schieklichkeit
jenen Anspruch beschränkt und überwiegt.
Namentlich wird eine Tendenz zur natürlichen Grösse der
Figuren da statt finden, wo es Weniger die Weise ihres Zusammen-
spiels als die charakteristische Darstellung der Figuren selbst ist,
was uns interessirt, wie diess in derThat im Allgemeinen bei jenen
Murillosehen Bildern der Fall ist.
Ileberall, wo Vortheile in wechselndem Verhältnisse mit ein-
ander in Contiict kommen, pflegt in gewissen Fällen der eine Vor-
theil den andern merklich ganz zurückzudrttngcn; also wird es
auch Bilder geben dürfen, die so zu sagen den Vorthcil der Natur-
wahrheit zu erschöpfen suchen, und durch die Vollendung, in der
sie diess erreichen, die sonst geltenden Schick]ichkeitsansprüehe
überbieten. Immerhin werden solche Bilder, als an einem Extrem
stehend, wie alle Extreme nur Ausnahmen bilden dürfen.
Der vorige Gesichlspunct erklärt noch eine andre scheinbare
Anomalie. Wenn man die durchschnittliche Grössc der Stillleben,
einschliesslieh Blumen- und Fruchtstücke, mit der durchschnitt-
lichen Grösse der Genrebilder vergleicht, so findet man erstere
nicht nur nicht kleiner, sondern sogar etwas grösser, wie man sich
aus den, im letzten, dem Anhangsalaschnitte, in Tabelle lll
gegebenen Durchschnittsmassen der Höhe und Breite von Bildern
verschiedener Klassen überzeugen kann; indess man doch nicht
in Zweifel sein wird, dass Genrebilder einen bedeutenderen Inhalt
haben, als Stillleben. Aber die Federung einer naturwahren Wie-
dergabe der Grösse tritt bei den Gegenständen der Stillleben mit