Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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wir durch den sinnlichen Augenschein gebunden, und eine halt- 
bare Erinnerung wird den Eindruck davon nahe genau reprodu- 
ciren; aber, wenn die Erinnerung in dieserllinsicht nicht treu ist, 
wird sie geneigt sein, das kleine Werk von bedeutendem Inhalt 
vergrössert vorzustellen. Mehr als. einmal habe ich diess nament- 
lich von dem, wohl keinen Quadratfuss überschreitenden, Gesicht 
des Ezechiels von Raphael erwähnen hören; und noch jüngst fand 
ich. in einer Besprechung der Bilder der Kasseler Gallerieäi) über 
ein Bildchen von Rubens, eine Flucht nach Aegypten in grossartig- 
ster Auliässung darstelleud, gesagt: ndicse Tafel von kaum Il V2 Fuss 
im Gevicrt wächst gleichsam vor unsern Blicken zum Wandbild, 
so mächtig und voll ltlajestät sind die GGSlHltGlLG Ilier wird der 
vergrössernde Einfluss des Inhalts sogar von der directen An- 
schauung ausgesagt. 
Ich selbst kannte früher Ilaphaels vaticanisehe Schöpfungs- 
geschichte nur aus einem Kupferstichwerke, und war nach der er- 
habenen Vorstellung, die ich mir hienaeh davon gebildet hatte, 
ganz erstaunt, als ich nach Rom kam, dafür kleine Bildchen an der 
Decke der Loggien zu sehen; bin auch überzeugt, dass dieser Nach- 
theil der äiusseren Grösse sehr Wesentlich zu der wohl allgemeinen 
Unterschätzung der Raphaelsehen gegen die Miehelangelosche 
Schöpfungsgeschichte beiträgt. 
Auch das sog. Schwartzsche Votivbild des ältern Holbein 
stellte ich mir auf Grund einer Photographie nach seiner gross- 
airtigen Gomposition als mit lebensgrossen Figuren vor, und fand 
später zu meiner Verwunderung ein Bild in genreartigern Formate. 
Unstreitig nun beweist der Umstand selbst, dass den hier an- 
geführten kleinen Bildern der Verlust der Grösse in der Vorstel- 
lung so zu sagen wiedererstattet wird, dass sie eigentlich grösser 
zu sein verdienten. 
im Allgemeinen aber wird man es begreiflich finden, dass bei 
Herstellung von Kunstwerken leichter und öfter ins zu Kleine als 
zu Grosse gefehlt wird. In der That haben wir unzählige Dar- 
stellungen der erhabensten Gegenstände im Kleinen, und wo die 
Darstellung im Original gross ist, giht doch der Stich sie klein 
wieder; wogegen kolossale Darstellungen genrehafter Vorwürfe 
kaum vorkommen. Aurh werden wir von irerhiiltnissmässig zu 
Befliner Zeit. 4866. 
IlO. 
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