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von bedeutendem Inhalt gönnen wir einen Baum und (lürfcn den-
selben einen solchen gönnen, den wir Bildern von unbedeutenden:
Inhalt nicht eben so gönnen noch gönnen sollen. Jedes Kunst-
werk hat sich um seinen Baum mit andern Kunstwerken und an-
dern Gegenständen überhaupt zu streiten oder vielmehr zu ver-
tragen. Nimmt es bei geringer Bedeutung seines Inhaltes einen
grossen llaum in Anspruch, so beschleicht uns sofort das Gefühl
der Unangemessenhcit dieses Anspruches; wir linden die Bedeu-
tung des Inhaltes durch seinen Umfang übertrieben. Ein Vichstüek,
eine Schenkenscexie soll keine ganze Wand einnehmen, weil die
Beschäftigung mit dem, was es vorstellt, keine grosse Bedeutung
in unserm Leben einnimmt. Bilder von bedeutendem Inhalt, reli-
giöse oder historische in grossem Stil, sind eigentlich auch nur
für 'I'empel, Ilallen, öffentliche (iebiiude, kurz grosse Räume be-
stimmt, Bilder von unbedeutentlem Inhalt, worin Scenen eines
beschräinkten Lebens und von laeschränktem Interesse dargestellt
sind, für Privatwohnungen; da haben sie den Baum an den Wün-
den theils mit andern Bildern von gleich beschränktem, nur an-
ders gerichteten, Interesse, theils mit häuslichen Gegenständen
verschiedener Art zu theilen. Es gehört aber zur Sehicklichkeit
eines Bildes wie eines lllenschen, keine grösseren äiusseren An-
sprüche zu machen, als ihm nach seinem Verhältnisse zu Andern
gelaührt, und man darf von einem Bilde viel eigentlicher als von
einem Menschen sagen: es soll sich nicht zu breit machen. Dass
mit der Grösse eines Kunstwerkes auch die_Grösse der zu seiner
l-lcrsttrllung zu verwendenden Mittel wächst, trägt bei, diese Bück-
sicht, die ich kurz die Schicklichkeitsrücksicht nennen will, zu ver-
stärken.
Indem wir nun überhaupt gewohnt sind, nur auf Darstellung
bedeutender Gegenstände grossen Baum und grosse Mittel, die mit
dem Baume in Verhältniss Wachsen, verwandt zu sehen, kommt
uns auch das Gefühl, es handle sich um einen solchen, unwill-
kührlich bei einem kolossalen Kunstgegenstande, und kann durch
seine Einstimmung oder seinen Widerspruch mit der wirklichen
Bedeutung des Inhaltes unser Gefallen steigern oder Missfallen er-
wecken. '
Sehen wir näher zu, so haben freilich nicht alle Bilder von
bedeutendem Inhaltwirklich die demselben angemessen scheinende
Grösse. S0 lange wir nun ein solches Bild (lirect betrachten, sind