Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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lei, namentlich äussere, Motive können freilich Ausnahmen hieven 
bewirken, aber es müssen eben besondere Motive zur Ausnahme 
da sein, und es wird in jedem Falle nach diesen Motiven zu fragen 
sein; sonst hat die Regel einzutreten, und im Durchschnitt, im 
Ganzen und Grossen bleibt sie gültig. Unter Anpassung der äussern 
Grösse an die innere kann freilich nicht Proportionalität da- 
mit, sondern nur Einhaltung gleicher P1 an gordnun g verstanden 
sein. Denn nach den Granzen der äussern Grösse und Kleinheit 
zu, welche von Kunstwerken wegen äussercr Bedingungen nicht 
überschritten werden können, ändert sich die äusscre Grösse lang- 
sainer als die innere oder Bedeutung. Ein religiöses Bild, welches 
das jüngste Gericht vorstellt, hat unsäglich grössere Bedeutung als 
ein Gcnrebild, was eine Schenkenscene darstellt; aber es ist dess- 
haib nicht unsäglich grösser; es ist nur überhaupt viel grösser oder 
verdient es doch zu sein. 
Was wir hier die innere Grösse oder Bedeutung eines Kunst- 
werkes nur der Kürze halber in dem oben erklärten Sinne 
nennen, fällt noch gar nicht mit dem qualitativen Wcrthe oder der 
artistischen Bedeutung desselben zusammen, weshalb auch 
Werth und iiussere Grösse sich nicht wesentlich bedingen. Ein 
sehr kleines und mit Recht klein gehaltenes Bild kann doch ein 
Juweel sein. Ein Genrebild kann uns durch Gemüthlichkeit, fried- 
liches Behagen in hohem Grade ansprechen, ein interessantes Vor- 
stellungsspiel von beschränkter Tragweite anregen, dazu in der 
Charakteristik und technischen Ausführung vollendet sein, und 
durch eine Verbindung solcher Vorzüge einen grossen Werth, eine 
grosse artistische Bedeutung erlangen; aber den Anspruch auf 
iiussere Grösse gewinnt es mit all" dem noch nicht, weil es mit all' 
dem noch nicht den Charakter innerer Grösse oder Bedeutung im 
Sinne 
obigen 
trägt. 
Setzen wir z. B. den Huss vor dem Scheiterhaufen von Lessing und (ließ 
goldene Hochzeit von Knaus einander gegenüber. Niemand wird zweifelhaft 
sein, dass erstres Bild einen weit bedeutender-an Inhalthat, als letztres. Jenes 
stellt eine Katastrophe dar, an die sich der Gedanke der Reformation mit 
allen ihren Gründen und Folgen knüpft, dieses einen festlichen Gipfelpunct 
in einem beschränkten Leben. Aber ob jenes mehr artistischen Werth hat, 
als dieses, darüber wird man sei es streiten, oder sich dahin aussern können, 
dass die Vorzüge beider Bilder wegen ihrer Ungleicharligkeit einen quantita- 
tiven Vergleich aussehliessen. Niehtsdestowenigei- wird man die gewaltige 
Grösse des ersten Bildes für die Grösse seines Inhaltes ganz angemessen
	        
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