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lei, namentlich äussere, Motive können freilich Ausnahmen hieven
bewirken, aber es müssen eben besondere Motive zur Ausnahme
da sein, und es wird in jedem Falle nach diesen Motiven zu fragen
sein; sonst hat die Regel einzutreten, und im Durchschnitt, im
Ganzen und Grossen bleibt sie gültig. Unter Anpassung der äussern
Grösse an die innere kann freilich nicht Proportionalität da-
mit, sondern nur Einhaltung gleicher P1 an gordnun g verstanden
sein. Denn nach den Granzen der äussern Grösse und Kleinheit
zu, welche von Kunstwerken wegen äussercr Bedingungen nicht
überschritten werden können, ändert sich die äusscre Grösse lang-
sainer als die innere oder Bedeutung. Ein religiöses Bild, welches
das jüngste Gericht vorstellt, hat unsäglich grössere Bedeutung als
ein Gcnrebild, was eine Schenkenscene darstellt; aber es ist dess-
haib nicht unsäglich grösser; es ist nur überhaupt viel grösser oder
verdient es doch zu sein.
Was wir hier die innere Grösse oder Bedeutung eines Kunst-
werkes nur der Kürze halber in dem oben erklärten Sinne
nennen, fällt noch gar nicht mit dem qualitativen Wcrthe oder der
artistischen Bedeutung desselben zusammen, weshalb auch
Werth und iiussere Grösse sich nicht wesentlich bedingen. Ein
sehr kleines und mit Recht klein gehaltenes Bild kann doch ein
Juweel sein. Ein Genrebild kann uns durch Gemüthlichkeit, fried-
liches Behagen in hohem Grade ansprechen, ein interessantes Vor-
stellungsspiel von beschränkter Tragweite anregen, dazu in der
Charakteristik und technischen Ausführung vollendet sein, und
durch eine Verbindung solcher Vorzüge einen grossen Werth, eine
grosse artistische Bedeutung erlangen; aber den Anspruch auf
iiussere Grösse gewinnt es mit all" dem noch nicht, weil es mit all'
dem noch nicht den Charakter innerer Grösse oder Bedeutung im
Sinne
obigen
trägt.
Setzen wir z. B. den Huss vor dem Scheiterhaufen von Lessing und (ließ
goldene Hochzeit von Knaus einander gegenüber. Niemand wird zweifelhaft
sein, dass erstres Bild einen weit bedeutender-an Inhalthat, als letztres. Jenes
stellt eine Katastrophe dar, an die sich der Gedanke der Reformation mit
allen ihren Gründen und Folgen knüpft, dieses einen festlichen Gipfelpunct
in einem beschränkten Leben. Aber ob jenes mehr artistischen Werth hat,
als dieses, darüber wird man sei es streiten, oder sich dahin aussern können,
dass die Vorzüge beider Bilder wegen ihrer Ungleicharligkeit einen quantita-
tiven Vergleich aussehliessen. Niehtsdestowenigei- wird man die gewaltige
Grösse des ersten Bildes für die Grösse seines Inhaltes ganz angemessen