Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

478 
 Der Begriff des Erhabenen hat verschiedene Gegensätze. Aus 
gewissem Gesichtspuncte steht ihm entgegen das Greuliche oder 
Scheussliche, aus andrcm" das Kleinliche, aus noch andrem das 
Niedliche, aus noch andren] das Lächerliche. Die Möglichkeit so 
verschiedener Gegensätze erklärt sich daraus, dass in den Begriff 
des Erhabenen einmal die Grösse, zweitens der lustvolle, drittens 
der einheitliche Charakter des Eindruckes eingeht. Jedes dieser 
Bestimmungsmomente aber kann für sich oder mit dem andern 
zusammen in den Gegensatz umschlagen. Das Greuliche und 
Scheussliche hat noch die Grösse des Eindruckes mit dem Erhebe- 
nen gemein; aber es ist eine unlustvolle Grösse; die Unlust über- 
wiegt, indess beim Furchtbaren die Lust noch überwiegen kann, 
wesshalb es in keinem reinen Gegensatze gegen das Erhahene 
steht, sondern selbst erhaben sein kann. Das Niedrige, Kleinliche, 
steht nach beiden Momenten zugleich dem Erhabenen entgegen; 
es erweckt Unlust dadurch, dass es an Grösse, Kraft, Leistung 
einen kleinern Eindruck macht, sich Weniger über den Durch- 
schnitt erhebt, als wir zu unserer Befriedigung verlangen ; hiegegen 
hat das Niedliche das Moment des Lusteindruckes mit dem Er- 
hahenen gemein , aber es ist vielmehr eine aus dem Gewöhnlichen 
heraustretende Kleinheit des extensiven Eindruckes, welche die 
Lust vermittelt oder den Eindruck zum lustvollen ergänzt. Nicht 
selten Endet man das Niedliche kurz als das Schöne im Kleinen 
erklärt; aber eine noch so kleine gemalte Madonna, ein noch so 
kleines Modell eines Tempels werden durch die Verkleinerung noch 
nicht niedlich; vielmehr muss die Kleinheit selbst zum Lustelfekt 
beitragen, um Niedliches zu erzeugen, was tbeils durch den Reiz 
des Ungewohnten, theils vortheilhafte Associationen als Leichtigkeit 
der Last und Bewegung, materielle Bedürfnisslosigkeit u. dgl. ge- 
schehen kann. Das Modell eines schönen Tempels ist nicht nied- 
lich, sondern nur ein verkleinertes Schöne, weil wir gewohnt sind, 
verkleinerte Modelle zu sehen, aber ein liliputanischer Tempel mit 
wirklichen ein- und ausgehenden kleinen Figuren würde uns nied- 
lich erscheinen; denn so etwas haben wir noch nicht gesehen. 
Nun freilich können wir auch ein Dämehen, mit dem wir täg- 
lich umgehen, fortgehends niedlich nennen; aber doch nur, so- 
fern der Vergleich mit der gewohnten Damengrösse uns immer 
stillschweigend gegenwärtig bleibt. ' 
Hiemit ist nicht geläugnet, dass wohlgefällige Verhältnisse
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.