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Der Begriff des Erhabenen hat verschiedene Gegensätze. Aus
gewissem Gesichtspuncte steht ihm entgegen das Greuliche oder
Scheussliche, aus andrcm" das Kleinliche, aus noch andrem das
Niedliche, aus noch andren] das Lächerliche. Die Möglichkeit so
verschiedener Gegensätze erklärt sich daraus, dass in den Begriff
des Erhabenen einmal die Grösse, zweitens der lustvolle, drittens
der einheitliche Charakter des Eindruckes eingeht. Jedes dieser
Bestimmungsmomente aber kann für sich oder mit dem andern
zusammen in den Gegensatz umschlagen. Das Greuliche und
Scheussliche hat noch die Grösse des Eindruckes mit dem Erhebe-
nen gemein; aber es ist eine unlustvolle Grösse; die Unlust über-
wiegt, indess beim Furchtbaren die Lust noch überwiegen kann,
wesshalb es in keinem reinen Gegensatze gegen das Erhahene
steht, sondern selbst erhaben sein kann. Das Niedrige, Kleinliche,
steht nach beiden Momenten zugleich dem Erhabenen entgegen;
es erweckt Unlust dadurch, dass es an Grösse, Kraft, Leistung
einen kleinern Eindruck macht, sich Weniger über den Durch-
schnitt erhebt, als wir zu unserer Befriedigung verlangen ; hiegegen
hat das Niedliche das Moment des Lusteindruckes mit dem Er-
hahenen gemein , aber es ist vielmehr eine aus dem Gewöhnlichen
heraustretende Kleinheit des extensiven Eindruckes, welche die
Lust vermittelt oder den Eindruck zum lustvollen ergänzt. Nicht
selten Endet man das Niedliche kurz als das Schöne im Kleinen
erklärt; aber eine noch so kleine gemalte Madonna, ein noch so
kleines Modell eines Tempels werden durch die Verkleinerung noch
nicht niedlich; vielmehr muss die Kleinheit selbst zum Lustelfekt
beitragen, um Niedliches zu erzeugen, was tbeils durch den Reiz
des Ungewohnten, theils vortheilhafte Associationen als Leichtigkeit
der Last und Bewegung, materielle Bedürfnisslosigkeit u. dgl. ge-
schehen kann. Das Modell eines schönen Tempels ist nicht nied-
lich, sondern nur ein verkleinertes Schöne, weil wir gewohnt sind,
verkleinerte Modelle zu sehen, aber ein liliputanischer Tempel mit
wirklichen ein- und ausgehenden kleinen Figuren würde uns nied-
lich erscheinen; denn so etwas haben wir noch nicht gesehen.
Nun freilich können wir auch ein Dämehen, mit dem wir täg-
lich umgehen, fortgehends niedlich nennen; aber doch nur, so-
fern der Vergleich mit der gewohnten Damengrösse uns immer
stillschweigend gegenwärtig bleibt. '
Hiemit ist nicht geläugnet, dass wohlgefällige Verhältnisse