Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

was 
unbetheiligt zusieht, mit dem Zustande dessen, der für sein eigenes 
oder andrer ihm Nahestehender Leben oder Eigenthutn zittert oder 
in Mitleid für Andre aufgeht, und man wird sich sagen, dass nur 
jener den Eindruck der Erhabenheit recht rein empfindet, dieser 
denselben um so mehr entbehrt, je mehr er zittert; was nicht hin- 
dert, dass er mitunter der Gefahr vergisst und dann doch auch die 
Erhabenheit des Schauspieles geniesst; aber sofern er der Gefahr 
dazu vergessen muss, kann die Furcht kein Ingrediens dieser 
Empfindung sein. Also erscheint die Unlust der Furcht doch viel- 
mehr als ein störendes, denn als ein wesentliches Moment des 
Eindruckes der Erhabenheit. 
Freilich steigt das Gefühl der Erhabenheit bei furchtbaren 
Gegenständen mit der Furchtbarkeit, weil das Lustmoment dcr 
Gewalt des Eindruckes damit steigt; aber nur nach Massgabe, als 
es das Uulustmonlent der Furcht übersteigt, oder wechselnd damit 
als Bewunderung illlftfltf, kann der Eindruck der Erhabenheit zur 
Geltung kommen. 
Auch fehlt es ja der Natur wie Kunst nicht an Beispielen, bei 
denen die zur Erhabenheit erforderliche Grösse oder Stärke des 
Eindruckes ganz unabhängig von Furchtbarkeit zu Stande kommt, 
und man einen Hinterhalt von Unlust überhaupt nur einer 'l'heorie 
zu Liebe hineintragen, aber mit allerYertiefung eines unbefangenen 
Blickes nicht darin finden kann. Das Aufsteigen der Sonne am 
Morgen oder des Vollruondes Abends über den Horizont, ein 
sternenhcller Nachthimmel, der über Wolken gespannte Regen- 
bogen, ein sanftbewegtes blaues Meer mit vielen Schiffen, ein go- 
thischer Dom, gewähren solche Beispiele, wobei sich die Seele mit 
reiner Lust ausweitet, und über die Kleinlichkeit und Zerstücke- 
lung der gewöhnlichen Eindrücke erhebt. Ja, je fester uns der 
gothische Dom zu stehen und in seinem Halt den Halt ewiger Ge- 
setze zu repräsentiren scheint, worin unser eigener Halt mit be- 
griffen ist, desto erhabener wird er uns sogar erscheinen; lass 
die Furcht kommen, er werde über unsern Köpfen zusammen- 
stürzen, und das Gefühl der Erhabenheit wird mit stürzen. 
Burke hat den Satz: ndas Schrecken ist, in allen Fällen ohne Ausnahme, 
bald sichtbarer, bald versteckter, das herrschende Principiuln des Erhebe- 
nena; und er sucht diesen Satz in einer Häufung von Beispielen durchzu- 
führen. Aber im Grunde stellt er damit doch eben nur zusammen, was zu 
dem Satze passt; Beispiele vom Charakter der obigen müssen sich gefallen
	        
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