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geistigen Erregung, sei es ins Positive oder Negative, wirkt mit der
Kraft eines positiven Eindruckes; daher wacht der Müller in der
Mühle auf, wenn die Mühle in ihrem Gange stockt, der Schläfer in
(lerPredigt, wenn die Predigt aufhört. Ein continuirliches Schwei-
gen, eine continuirliche Monotonie, eine continuirliche Oede, eine
continuirliche stockfinstere Nacht vermochten uns nicht stark an-
zuregen, wohl aber Schweigen, Monotonie, Oede, Finsterniss im
Unterschiede von dem, was wir gewohnt sind, so mehr, je grösser
der Unterschied (lavon ist.
Zeising, der in seinen ästhetischen Forschungen besonders ausführlich
auf die verschiedenen Arten und MOÖlÜCZIltOIIGII des Erhabenen unter Bei-
fügung erläuternder Beispiele eingeht (was nachgelesen zu werden verdientj,
stellt namentlich folgende Beispiele des passiv Erhabcnen zusammen.
nDas heilige Schweigen im Tempel mitten unter städtischem Getöse, die
todtcnslille Pause in einem Allegro con Brie, das Anshalten eines und dessel-
ben Tones bei ewig wechselnder Harmonie, ein treues Herz am Hofe Lud-
wigs XIV, Fabricius gegenüber den Bestechungsversuehen des Pyrrhus, ein
Gottvertrauen mitten im Sturme der Leiden, Columbus unter dem verzwei-
nden S(
iifsvolk, u.
Ich selbst wüsste nicht, was einen erhabenern Eindruck auf
mich gemacht hätte, als bei einem Gange über den Gemmipass der
Anblick des mit einem Schneemantel umhüllten, mit niedern
Schneespitzen umgebenen, Monte Rosa vor mir und die Oede des
ganzen Umkreises um mich mit einem monotonen, aller Variation
baaren Rauschen, wie überhaupt öde Gebirgsgegenden zu den
erhabensten Gegenständen gerechnet werden. Ich könnte die
Erinnerung davon nur mit Verlust gegen die Erinnerung an so
manche anmuthige Gegend vertauschen, indem der so viel mäch-
tigere einheitliche Eindruck zugleich ein so viel lustvollerer war;
und wenn nicht die allgemeine Erfahrung in demselben Sinne wäre,
so würden nicht die von Gletschern starrenden Gegenden der
Schweiz die besuchtesten sein. Dabei wirkt freilich der positive
Eindruck der Hohe mit dem der Oede zusammen, den Eindruck
der Erhabenheit zu begründen; aber wären die hohen Berge be-
wachsen, so würde zwar der Eindruck der Lieblichkeit wachsen,
aber der Eindruck der Erhabenheit, und mit ihm zugleich die Zahl
der Besucher abnehmen.
Nun könnte man freilich meinen, wenn nach obigen Beispielen
der gänzliche Wegfall eines Reizes im Stande ist, einen starken
und Lladurch erhabenen Eindruck zu nlachen, müsste schon die