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theils Abweichung bezüglich voriger Auffassungen von selbst fin-
den werden.
Beispiele des Erhabenen, woraus sein Begriff als abstrahirt,
angesehen werden kann,.und woran sich derselbe erläutern lasst,
sind im Gebiete der Natur: der reine blaue Tageshimmel, der
sternenhelle Nachthimmel, Gewitter mit hochgethürmten Donner-
wolken und mächtigen Blitzschlägen, gewaltige Stürme, das auf-
geregte Meer, Ueberschwemmungen, der Eisgang grosser Ströme,
grosse und hohe Wasserfälle, grosse und hohe, namentlich öde
Bergaussichten, vulkanische Ausbrüche. Im Gebiete der K unst:
Alles, was die göttliche Grösse und Macht, aber auch, was
geistige Menschengrösse, Hoheit, Aufopferung, Standhaftigkeit
poetisch, rednerisch oder anschaulich versinnlicht, Darstellungen
des Weltgerichtes; grosse Dome, der olympische Zeus; im Gebiete
der Musik insbesondere: Tonstücke mit ausgehaltenen vollen
starken Tönen als namentlich Glockentönen, Orgeltönen. lm gei-
stigen Gehiete: eben jene geistigen Grössen, welche für die
Kunst zu Gegenständen erhabener Darstellung werden.
Versuche ich nun im Rückblick auf diese Beispiele das Ge-
meinschaftliche des Eindruckes, der dadurch erweckt wird, oder
doch bei hinreichender subjeetiver Empfänglichkeit erweckt wer-
den kann, zu bezeichnen, so scheint mir, das Gefühl der Erhaben-
heit beruhe darauf, dass die Seele einen, aus der mittleren Grösse
oder Stärke gewohnter Eindrücke heraustretenden, einheitlichen
Eindruck mit Lustübergetwicht erfahre, dessen eigenthüm-
licher Lustcharakter nicht durch den einheitlichen Charakter
allein, sondern eben dadurch, dass der Eindruck zugleich ein star-
ker oder grosser ist, wie umgekehrt nicht durch die Grösse oder
Stärke allein, sondern dadurch, dass der Eindruck zugleich ein
einheitlicher ist, bedingt wird. Bis zur Unendlichkeit sich in der
Erklärung zu versteigen überlasse ich gern den Idealisten. Das
Schöne, insofern man es nach einer engern Fassung dem Erhebe-
.nen gegenübersetzen will, theilt mit ihm den einheitlichen Cha-
rakter, aber nicht die, aus dem Gewöhnlichen heraustretcnde
Grösse oderStärke des Eindrucks; in sofern man aber das Schöne so
weit fassen will, dass das Erhabene selbst mit darunter tritt, in
welcher Hinsicht die Definition frei steht, ist das Erhabene die be-
sondere Art des Schönen, bei welcher die Grösse des Lustein-
druckes von der Grösse des Eindruckcs selbst mit abhängt, ohne