4652
blick gefangen nehmen, die Dauer des Genusses zu verlängern und
den Genuss dadurch zu erweitern, dass man nach innern Motiven
den associativen Eindruck selbstthatlg bald mehr nach dieser bald
jener Seite ausbeutet und weiter ausspinnt, wie es Th. I. S. l I9
besprochen worden ist, und diess mag immerhin als Phantasie-
thätigkeit zählen, da es jedenfalls nicht rein receptive Thätigkeit
ist, da ein anderer Ausdruck dafür fehlt, und auch die schöpfe-
rischste Phantasie überall nichts ganz Neues schaffen kann. Immer-
hin bleibt es nur ein zweiter Theil des Kunstgcnusses, und wohl
bei den Meisten kommt es nicht dazu, da sie den receptiven Ge-
nuss vielmehr activ durch Beschäftigung mit Kritik, mit Aechtheits-
fragen u. s. w. zu verlängern suchen. Was man Spieltrieb der
Phantasie nennt, ist nichts der Phantasie Eigenthümliches, sondern
der Trieb, sich überhaupt mit wechselvollen Eindrücken unter
einheitlichem Gesiohtspuncte zu beschäftigen, ein Trieb, der sich
eben sowohl activ als receptiv geltend machen kann, und unter
das, im 6. Abschnitt besprochene, Princip der einheitlichen Ver-
knüpfung des Mannichfaltigen tritt.
NVenn man nun freilich die Definition der Phantasie von vorn
herein darauf stellt, dass nicht blos das productive Vorstellen des
Künstlers sondern auch receptive Vorstellen des Geniessenden
zum Phantasieleben gehöre, wie diess z. B. Köstlin (Aesthetik
S. 96) ausdrücklich und Andre stillschweigend thun, wenn man
dazu erklärt, nur das lustvolle Vorstellen frei und harmonisch
nennen zu wollen so wird dagegen schliesslich weiter nichts zu
sagen sein, als dass man mit der darauf gegründeten Schönheits-
erklärung auch weiter nichts sagt, als dass die Schönheit auf einem
lustvollen Charakter von Vorstellungen in dem das Schöne Pro-
ducirenden wie Geniessenden beruhe. Eine directe Bezugnahme
auf diesen Charakter der Schönheit aber wird jedenfalls dem, so
leicht in Unklarheit verlaufenden oder auf begriffliche Abwege
führenden, Umwege durch die Begriffe Phantasie, Harmonie und
Freiheit vorzuziehen sein.