Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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die spätere zu wirthschaften hat; aber so wenig ein Geldkapital 
sich dadurch vermehrt, dass man die vorhandenen Geldrollen in 
immer neuer Ordnung auflhürmt, ist es mit. dem gesammelten 
Kunstkapital der Fall; nur aus den Schachten, den Feldern und 
Wäldern des natürlichen Lebens vermehrt sich's, wie es eben da- 
her seinen ursprünglichen Besland hat, den freilich der Geist der 
Künstler daraus erzielen musste, doch nicht aus seinem eigenen 
Bestande erzielen konnte. 
Natürlich, da das Rechte hier in der Verbindung zweier Ge- 
sichtspuncte liegt, fehlt es wieder nicht an Einseitigkeiten, welche 
bald den einen bald den andern mit Vernachlässigung oder gar 
Verneinung des gegentheiligen zur Geltung bringen. 
Leonardo da Vinci sagt in seinem Tractat von der Malerei 
(Abh. 32) : nein Maler soll niemals die Manier eines Andern nach- 
machen, vvidrigenfalls Wird er nur ein Enkel, nicht aber ein Sohn 
der Natur heissen. Denn die Dinge in der Natur sind in so grossem 
Ueberfluss vorhanden, dass man seine Zuflucht vielmehr zu dieser 
Natur selbst, als zu andern Meistern nehmen soll, die doch eben- 
falls bei ihr in die Schule gegangen SlDd..(( Hiegegen sagt Squar- 
cione  einer der Künstler, denen im 45. Jabrh. der hohe Werth 
antiker Kunst aufgegangen : m38 sei sehr thöricht, das Schöne, Hohe, 
Herrliche mit eigenen Augen in der Natur zu suchen, es mit eigenen 
Kräften ihr abgewinnen zu wollen, da unsere grossen griechischen 
Vorfahren sich schon längst des Edelsten und des Darstellungs- 
werthesten bemächtigt, und wir also aus ihren Schmelzöfen schon 
das geläuterte Gold erhalten könnten, das wir aus Schutt und 
Gruss der Natur nur mühselig ausklaubend als kümmerlichen Ge- 
winn eines vergeudeten Lebens bedauern müssennt"). 
Beide Aussprüche erscheinen in vollem Widerspruche mit ein- 
ander, und sind doch gleich triftig, wenn sie nur triftig verbunden 
werden. Jeder neue Erwerb kann der Kunst nicht minder als der 
erste nur aus der Natur d. i. kunstlosen Welt kommen, aber nur 
auf und über der Grundlage des früheren Erwerbs zu bedeutender 
Kraft und Höhe ansteigen. _ 
Hätte der Künstler nichts mehr von der Natur zu lernen, so 
i") Nach Göthe's K. u. Alt, Werke, Band 39. S. H5. 
die) Ein Meister der französischen Kunst der 2. Hälfte des vorigen Jahr- 
hunderts verbot sogar seinen Schülern, die Natur zu studiren, "um sich nicht 
den Geschmack zu verdorbene. (llleyer, Gesch. d. franz. Malerei.)
	        
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