Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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werden zu können, und dann immer von Neuem der Betrachtung 
zu Befehl stehen zu müssen.  
Auch das kunsthistorische und kunstkritische und Kunst- 
schulinteresse, was der specifische Kunstkenner an der gemalten 
Landschaft nehmen mag, das Interesse, was wir Alle an der ge- 
lungenen Nachahmung der Naturjm Bilde nehmen, kann uns keine 
wirkliche Landschaft ersetzen; Ueberhaupt ordnet sich die gemalte 
Landschaft der Gesammtheit von Erzeugnissen des Menschengeistes 
ein und unter, gewinnt Bedeutung und Beziehung dadurch, die 
der natürlichen Landschaft abgeht; eine Landschaft selbst gemacht 
zu haben, macht sie dem Menschen werther als die natürliche 
Landschaft; in der natürlichen findet er keinen Anlass, die eigene 
Leistung des Menschen zu bewundern. Also laehält die gut ge- 
malte Landschaft immer nach gewissen Beziehungen Interesse und 
Werth über die schönste wirkliche hinaus; aber eben nur nach 
gewissen Beziehungen; im Ganzen vermag sie nicht, es ihr gleich 
zu thun. 
Wenden wir uns zu den höchsten Leistungen der Kunst, so 
kann uns die Natur ein Weltgericht nicht anschaulich irorführen, 
wie die Kunst; aber führt uns denn die Kunst ein solches wirk- 
lich vor? Wir müssen an den sichtbaren Schein, den sie giebt, 
erst seine Vorstellung knüpfen, fraglich, wie viel wir daran knü- 
pfen; ja die Meisten , die sich auf Kunst verstehen, werden viel- 
mehr an Stil, Gruppirung, Farbenwirkung des Bildes, als an das 
Weltgericht dabei denken, wohl gar diesen Gehalt des Bildes ganz 
unwesentlich für seine Kunstleistung finden; und die sich nicht 
auf Kunst verstehen, werden gar nicht wissen, was sie aus der 
wunderlichen Scene machen sollen; in jedem Falle aber wird das 
Bild nicht so tief und gewaltig in das Gemüth des Menschen grei- 
fen, als ein, die Kunst gar nichts angehender, wirklicher Act gött- 
licher Gerechtigkeit, der gegen ihn oder solche, an deren Geschick 
er Theil nimmt, geübt wird, indess dieser dafür freilich den Men- 
schen nach Seiten ungerührt lässt, nach denen die Kunst ihn durch 
das Bild rührt; ohne mit der stärksten Rührung, die sie durch 
Bilder überhaupt zu erzeugen vermag, den Werth und die Stärke 
der werthvollsten und stärksten natürlichen Rührungen erreichen 
zu können. 
Bei dem allen hatten wir die bildende Kunst vor Augen; ähn- 
lich aber als mit dieser verhält es sich mit der Poesie. Alle Ge-
	        
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