fahrung, als ich später einmal, lange nach Lesung jener Kritik, das
Bildin einem Stiche oder einer Lithographie sahe. Schamyl steht da,
etwa wie ein Jude, dem ein Handel missglückt ist, ohne alles tiefe
Pathos; er nimmt sein Schicksal als ein vorbestimmtes. Und doch
hat diess bei der Voraussetzung, dass ich hier ein Stück Wirk-
licher Geschichte sehe, einen tiefern tragischen Eindruck auf mich
gemacht, als wenn der Maler versucht hätte, die ganze Tiefe von
Schamyls und seines Volkes Geschick direct in sein Gesicht, seine
Stellung, Geberde und Handlung zulegen, ich aber gewusst hätte,
so war es nicht. Dann hätte ich vielmehr den Maler als den Hel-
den, der gemalt sein sollte, im Bilde gesehen; so sahe ich den
Mann seines Volkes, seiner Zeit, seines Schicksalsglaubens, einen
Mann wie er leibte und lebte in ihm , und empfing damit eben so
viel lebendige Angriffspuncte, von denen aus sich die Idee des
tragischen Geschickes des Helden und seines Volkes zwar indirect,
aber mit einer Kraft entwickelte, welche die symbolische Darstel-
lung im Sinne des Kritikers verfehlt haben. würde.
Für Napoleon mit der Fahne in der Hand auf der Brücke von
Arcole gab eine verbreitete Sage, deren Unrichtigkeit sich erst
später durch genauere historische Forschung herausgestellt hat,
zugleich den Anknüpfungspunct und Berechtigungsgrund. Aber
wo lag bezüglich des von Schaniyl hingeworfenen Schwerts eine
solche Sage vor. Das sind also unvergleichbare Fälle. Hätte der
Künstler Napoleon ohne die Unterlage jener für Geschichte geltenden
Sage, vielmehr in Widerspruch mit der bekannten Geschichte, aus
seinem Kopfe so darstellen wollen, um ihn aals siegreichen Banner-
träger seines Volkesc darzustellen, so hätte er, statt ein historisches
Bild zu liefern, nur die Episode aus einem historischen Romane
im Bilde geliefert.
Es giebt jedenfalls historische Stoffe, an deren treuer Wieder-
gabe das Interesse so gross ist, dass keine noch so poetisch schei-
nende Abweichung davon in charakteristischen Zügen den Nach-
theil der Schädigung dieses Interesses vergüten kann, und alle
historisch bedeutsamen Stoffe, die in die Zeit des Künstlers ein-
greifen, gehören hieher. In so weit die Kunst diess Interesse be-
friedigen kann, hat sie es auch zu befriedigen, und nicht für das
Fleisch nach dessen Schatten zu greifen. Aber freilich, um Bilder
zu malen, wie Vernet und Horschelt, muss man in Algerien und
am Kaukasus mitgewesen sein; zu Bildern nach Bahls Regel braucht