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es die Wahrheit der Sache und ihre Bedeutung für die Geschichte
wie für das Gemüth feststellen soll. Aber wie ofLwerden die Maler
durch die Auftraggeber gebunden! Sähen wir wenigstens
noch den Schamyl wie er sein Schwert dem Ueberwältiger vor die
Füsse wirft, und nun wie ein Held sich zusammenfasst um sein
Schicksal zu tragen! Aber dieser Seelenkampf war geschehen.
Bariatinski empfing ihn sitzend, und liess sich von einem Dolmetsch
sagen, was er begehrte; so war's; nur Schade, dass die Dolmet-
schung nicht malerisch ist und der Maler durch Handlungen zu
sagen hat, was im Gemüth vorgeht! Horschelt hat auch auf seinem
Gemälde glänzend bewiesen, welch scharfer Blick und sichere
Hand für die Auffassung und Zeichnung des individuell und na-
tional Gharakteristischen ihm eignet; er hat in den früher erwähn-
ten Blättern seine Erkenntniss des echt Malerischen bewährt; möge
er dazu kommen, auch in einer phantasievollen Composition ein
vollgenügendes Ganzes zu schaffenat
Im Vorigen ist sehr triftig und ganz in Uebereinstimmung mit
Bahl die höhere Aufgabe bezeichnet, die sich der Künstler stellen
k o nn t e, indem er den Vorgang der Unterwerfung Schamyls blos
als Motiv benutzte, die allgemeine welthistorisehe Idee dieser Unter-
werfung unmittelbar in schlagendern Zügen als die Wirklichkeit
selbst bergab, auszudrücken- Möchte er es gethan haben; aber
wäre ich Bariatinski, so Würde ich dem Maler ins Gesicht gelacht
und das Bild mit dem aus dem Kopfe des Malers vor meine Füsse
geworfenen Schwerte auf den Oberboden gestellt haben, um es
nicht immer vor Augen zu haben, weil mich die Gewaltthatfwelche
die poetische Wahrheit gegen die reale und mein ganz berechtigtes
reales Interesse übte, zu sehr verdrösse.
Nun sagt der Kritiker etwa: wohl, das Bild sollte aber auch.
um auf höheren und allgemeineren Werth Anspruch zu machen,
so gemalt sein, um vielmehr einen Platz in einer Kunstsammlung,
einem Nationalmuseum, als dem Privatzimmer des Generals zu
verdienen, und statt ein particuläres vielmehr ein allgemeines und
ewiges Interesse der Mit- und Nachwelt zu befriedigen. Ich bin
aber überzeugt, dass nicht nur Bariatinski, sondern die gesammte
Mit- und Nachwelt mit Ausnahme voreingenommener Kunst.-
idealisten das Bild lieber ansehen und einen stärkeren Eindruck
davon empfangen wird, wenn sie wissen, es war so, als, so war
die Gonception des Malers. Ich selbst machte jedenfalls diese Er-