vWir würden dem Gemälde nicht gerecht werden, wenn wir
ausser Acht liessen, dass es von dem Sieger, General Bariatinski,
bestellt ist, und dem Auftrag gemäss das Factische naturgetreu ab-
bilden sollte, so dass die Porträte der anwesenden Officiere, wie
der Ort, wo Schamyl sich ergab, zu den Bedingungen gehörten.
So sitzt denn der Bussenfeldberr unter einem Birkenbaum, seine
Officiere stehen um ihn, und vor ihn tritt Schamyl, geführt von
einem Dolmetscher, gefolgt von seinen Getreuen, die in ihren
malerischen Trachten und ihrem Unglück gegen die Uniformen der
sie betrachtenden Gegner einen lebendigen Gegensatz bilden. Ge-
wiss, so wird und kann die Sache geschehen sein, und der Maler
hat jede Figur charakteristisch aufgefasst und durchgebildet, sie
sind alle bei der Sache, und im Mittelgrunde sehen wir auch das
letzte feste Dorf der Tscherkessen, und hinter ihm den Berg, wel-
chen die Schaar der Russen übersteigt. Die Bussen, die dabei
waren, werden von alle dem befriedigt sein. Allein es war unmög-
lich, auf solche Art die wesentliche Bedeutung des Gegenstandes,
das tragische Ende eines Volkskampfes gegen übermächtige Unter-
drücker, deren culturverbreitende Mission uns doch noch zweifel-
haft ist, zu veranschaulichen; dazu bedurfte es einer dramatisch
bewegten (lomposition, dazu nicht blos einen Moment der thatsäch-
lieh das Ganze beschloss, sondern einen solchen, der den Wende-
und Höhepunct der Entscheidung gezeigt hätte, der, was im Leben
örtlich und zeitlich, getrennt sich begab, künstlerisch zu einem
Gesammtbilde vereint hätte. Das ist freilich unmöglich, ohne dass
das Factische im Geist wiedergeboren, von der Phantasie frei ge-
staltet wird, und zu einem solchen Kunstwerk verhält sich Hor-
schelts Gemälde wie der genaue Zeitungs- oder Chroniksbericht zu
dem Drama oder dem Epos, in welches die Phantasie des Einzel-
dichters oder die Volkssage die Thatsachen der Geschichte verklärt,
so dass nun der ideale Sinn der Begebenheiten aus ihnen hervor-
leuchtet und in der Handlung die Charaktere sich entfalten. Der
Maler wird immer einem Napoleon bei Arcole die Fahne in die Hand
geben, und wenn zehnmal die historische Kritik nachweist, dass
er sie nicht ergriff, denn er war damals wirklich der siegreiche
Bannerträger seines Volkes, und das veranschaulicht die Sage.
Gleich ihr muss es dem Künstler freistehen die Wirklichkeit von
der Idee aus und der Idee gemäss zu gestalten, wenn sein Werk
nicht blos mit prosaischer Richtigkeit das Factische, sondern wenn