Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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Manches in Zeit und Baum zusammengerückt haben, was die Wirk- 
lichkeit aus einander hielt, Manches klarer auseinander gehalten 
haben, was in der Wirklichkeit sich für die Anschauung verwirrte 
und verdeckte; doch sicher nur in demselben Interesse, in welchem 
auch der Geschichtsschreiber Vieles darstellend weglässt, zusam- 
menrückt, auseinanderrückt, um die Hauptpuncte der wirklichen 
Geschichte, um die es zu thun ist, desto klarer, zusammenhängen- 
der, eindringlicher darzustellen. Dabei hat freilich der Geschichts- 
schreiber vor dem Maler den Vortheil voraus, dass die äussere 
Form seiner Darstellung nicht zugleich als eine Form der Wirklich- 
keit selbst erscheint, weshalb es aber auch für den Maler, der ein 
Hauptgewichtauf die Befriedigung eines lebendigen historischen In- 
teresses legt, grosser Vorsicht in derartigen Abweichungen von der 
Natur bedarf. Nur nach untergeordneten Gesichtspuncten und 
nur zu Gunsten sehr wesentlicher Vortheile der Klarheit und des 
Gehaltes der Darstellung wird er darauf einzugehen haben. Mit 
dieser Rücksicht mag er auch Nebendinge und Nebenfiguren, an 
deren Specialität die Erinnerung überhaupt nicht haftet, vielmehr 
wie sie sein konnten als wirklich waren, darstellen und die in die- 
ser I-Iinsicht gebliebene Freiheit stilistisch verwerthen. 
Will man nun dieses Auffassen, reine Zusammenfassen und 
massvolle Moduliren der Momente der Wirklichkeit aus dem zu- 
gleich einheitlichsten, prägnantesten Gesichtspuncte, weil es doch 
Sache des erfinderischen Künstlergeistes bleibt, unter Rahls Aus- 
druck subsumiren, dass der Künstler die Geschichte nur zu be- 
nutzen habe, um seine ursprüngliche Idee darzustellen, sie mit der 
Phantasie des Dichters zu behandeln habe, so würde sich gegen 
Rahls und ähnliche Aussprüche nichts Andres einwenden lassen, 
als dass sie etwas Richtiges so unklar oder unrichtig ausdrücken, 
um leichter zum Unrichtigen als Richtigen zu verführen; sind aber 
in der That meist vielmehr unrichtig als richtig gemeint, das heisst, 
im Sinne einer einseitigen Bevorzugung der idealistischen Kunst- 
richtung, die gewiss ihr Recht, nur nicht ein alleiniges Recht der 
realistischen gegenüber hat. Auf dieses, schon früher (S. 407) 
anerkannte Recht komme ich unten zurück. Aber betrachten wir 
vorher noch ein Beispiel. 
In der Beilage zur Augsb. AllgZtg. 4865. no. 21 ist ein Ge- 
mälde von Th. Horschelt, darstellend die Unterwerfung Schamyls, 
besprochen, und u. a. gesagt:
	        
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