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nicht den Nachtheilen, welche jede Verletzung der Naturwahrheit
mit sich führt, Wonach der natürliche Ausdruck überall vorzuziehen
ist, wo er möglich und mit gleicher Leichtigkeit für die Auffassung
herzustellen ist.
Allgemein gesprochen leidet jedersymbolische Ausdruck, ab-
gesehen von der Gefahr der Verwechslung mit der Sache des Symbols
selbst,ean Schwäche des Eindrucks in Verhältniss zu gleich leicht
auifassbaren natürlichen Ausdrucksweisen, und symbolische Dar-
stellungen würden daher ganz zu verbannen sein, wenn überall
natürliche dafür zu Gebote ständen, nicht ein verhältnissmässig
schwacher Eindruck von etwas Starkem, was sonst gar nicht dar-
gestellt werden könnte, noch stark und werthvoll sein könnte, und
nicht das Schwache die Stärke dessen, Womit es zusammenhängt,
mehren könnte. '
Fr. Vischerx) hat einmal über das Kaulbaclfsche Bild der Zerstörung
Jerusalems geäussert, es wäre wreiner ästhetisch, tiefer künstlerische gewesen,
wenn die Scene der Erstürmung des Tempels so behandelt worden wäre, so
gewaltig in Gestalten, Leidenschaften, Gruppen, Bewegung, Stimmung des
Ganzen, dass hieraus allein, ohne Zuthat von Propheten und Engeln, der Ein-
druck eines grossen weltgeschichtlichen Actes, eines Weltgerichtes, hervor-
gingem Gewiss, nur fragt sich, wie eine solche Leistung ohne die symbolische
Zuthat überhaupt möglich war. Man hätte eben nur die Erstürmung irgend
einer Stadt, aber nicht die weltgeschichtliche Bedeutung dieser Erstürmung
gesehen. Nun wird man nicht in Abrede stellen können, dass dieses Bild
mit seiner Symbolik mehr den Verstand beschäftigt, wie es auch mit dem
Verstande componirt ist, als einen witiefenn einheitlichen ästhetischen Eindruck
macht. Aber die Art Bedeutsamkeit, auf die es bei ihm abgesehen war,
konnte es doch blos durch Symbolik erlangen, und auch dem Verstande kann
man eine Befriedigung durch glückliche Combination anschaulicher Mittel
wohl gönnen, ohne freilich den Hauptzweck eines Kunstwerkes darin suchen
zu können.
Die alten Aegypter stellten Götter mit Adler-, LöWen-, Stier-
köpfen dar, um die Eigenschaften der Scharfsicht, Stärke, frucht-
baren Kraft, dadurch zu symbolisiren. Uns scheint diess abge-
schmackt, mit Recht, weil uns natürlichere oder der natürlichen
sich mehr nähernde Ausdrucksweisen in der Bildung und dem
Ausdruck des menschlichen Hauptes und feinere Züge dazu zu Ge-
hole stehen und die Nachlheile der schroffen Verletzung der Natur-
wahrheit für uns durch kein Gegengewicht aufgewogen werden. Aber
Lützow
Zeitschr.
4863i.