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brandt überhaupt liebt. Nur eben sahe ich ein neues Bild von
Hofmann in Dresden, Christus vom Schiffe aus dem Volke predi-
gend, ein in gewissem Sinne reizend schönes Bild; aber ich sahe
eben nur Christus, der einer reizend schönen, reizend gruppirten
Versammlung aus der Kunstwelt predigt, nicht Christus, der einem
Volke predigt. Von Rembrandt hätte ich nicht jenen, aber diesen
gesehen.
Auch im Felde des Porträts wird man sich vor Exclusivität zu
hüten haben. Ein in unserem jetzigen Sinne idealisirtes Porträt ist
ein geschmeicheltes. Nun lässt sich zwar der Mensch im Porträt
wie in der Rede gern schmeicheln, aber die Schmeichelei gefällt
eben nur dem Geschmeichelten; jeder Andre zieht das wahre Por-
trat vor. Es giebt Porträts alter Meister mit rother Nase, klum-
pigen Gesichtszügen, verschwommenen Augen, die uns doch besser
gefallen, die wir kunstmässig schöner finden, als die geschmei-
cheltsten und einschrneichelndsten Porträts so mancher neuen
Künstler. Vor Kurzem lag mir eine Sammlung von Photographieen
nach Porträts der literarisch berühmten deutschen Frauen neuer
Zeit vor. Bei den meisten fühlte man heraus, die Porträts seien ge-
schmeiohelt, und blätterte mit einer Art störenden Misstrauens das
ganze Werk durch.
Dennoch kann auch bei Darstellung realer Persönlichkeiten
eine Idealisirung bis zu gewissen Gränzen im Rechte sein, wenn
nämlich die Darstellung eine monumentale sein soll, indem Monu-
mente gewisserrnassen zugleich Apotheosen sind, und es einen ge-
rechtfertigten Zweck haben kann, einen grossen Mann nur nach der
Seite seines Wesens, die ihm das Monument verdient hat, für die
Nachwelt zur charakteristischen Darstellung zu bringen. Hier mö-
gen Züge in dieser Richtung stärker hervorgehoben, widerstrebende
mehr gemildert werden, als es sich mit einer ganz naturwahren
Charakteristik überhauptverträgt. Mancher Wohlthäter der Mensch-
heit ist doch der Sinnlichkeit mehr als billig ergeben gewesen; die
Erinnerung hieran in seinem Antlitze aufzubehalten, kann seinem
Andenken und der Wirkung dieses Andenkens nicht frommen.
Nur muss man sich nicht verhehlen, dass, indem man mit monu-
mentalen Darstellungen vielmehr eine Idee, die in dem Menschen
ihre Vertretung gefunden hat, als den Menschen selbst darstellt
oder zwischen jener Darstellung und seiner individuell zutreffen-
den Darstellung schwankt, die Kraft des Eindrucks, der an der