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der Umstand vermochte ihn endlich von seinem Irrthum zu über-
zeugen, dass im Hintergrunde eine Kirchweihfahne aufeinerSchenke
aufgesteckt ist, welcher die Heimkehrenden den Bücken zuwenden.
Fragte mich nun jemand, ob ich das Bild lieber angesehen
haben würde, wenn die lieblichen Bauermädchen durch plumpe
Bauerdirnen, wie man sie in jedem Dorfe findet, ersetzt und die
Hosen des Trunkenen voll Bierllecken wären, so würde ich es
durchaus verneinen; vielmehr hätte ich es dann gar nicht an-
sehen mögen, und die realistische Wiedergabe der Unreinlichkeit
hätte gar Ekel erweckt, während ich jetzt mich gern mit den ein-
zelnen Gestalten beschäftige; aber wie ich sie in der Idee des
Ganzen zu verknüpfen suche und an dieselbe halte, fangen sie mir
an zu missfallen, ich finde mich gestört, und das sollte nicht sein.
Vermochte der Künstler den Gegenstand nicht zugleich wahr
und anmuthig darzustellen, so sollte er ihn überhaupt nicht dar-
stellen.
Kunstwerke der Art, in welchen die Idee blos benutzt ist,
um Schönheiten wie an einem Faden aufzureihen, ohne dass das
gemeinsame Dasein dieser Schönheiten in der Idee des Ganzen
Wesentlich wurzelt, verhalten sich zu den ächten, wo sie im Zu-
sammenhange mit minder schönen und nach Umständen selbst
unschönen Einzelheiten aus der Idee selbst hervorwachsen, wie
der ganz aus Blumen zusammengesetzte durch einen Faden zu-
sammenhängende Kranz zur blühenden Pflanze mit Blüthen, Sten-
geln, Wurzeln. Man kann in ersterm viel mehr schöne Blumen
anbringen, als letztere von selbst zu tragen vermag, kann sich auch
wohl einmal den Kranz gefallen lassen, da man immerhin gern viel
Schönes beisammen sieht, ohne überall zu fragen, wie es zusam-
menhängt; aber die Kunst soll doch vielmehr einem Garten voll
blühender Pflanzen als einer Halle, in der Kränze aufgehangen sind,
gleichen; und Während man der blühenden Pflanzen niemals über-
drüssig wird, wird man der Kränze sehr bald überdrüssig.
Wieder aber will ich zugeben, dass ein leiser Zug der Ideali-
sirung, der im Zusammenhange durch das Ganze einer Darstellung
aus realem Gebiete geht, einen Reiz darüber breiten kann, wel-
cher den Nachtheil üherbietet, der daran hängen bleibt, dass die
Darstellung nicht mit der vollen Kraft aus dem Leben selbst ge-
griifener Wahrheit wirkt. Die Idealisirung muss nur eben leise
genug sein, dass das Gefühl eines Widerspruches mit der