Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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der Umstand vermochte ihn endlich von seinem Irrthum zu über- 
zeugen, dass im Hintergrunde eine Kirchweihfahne aufeinerSchenke 
aufgesteckt ist, welcher die Heimkehrenden den Bücken zuwenden. 
Fragte mich nun jemand, ob ich das Bild lieber angesehen 
haben würde, wenn die lieblichen Bauermädchen durch plumpe 
Bauerdirnen, wie man sie in jedem Dorfe findet, ersetzt und die 
Hosen des Trunkenen voll Bierllecken wären, so würde ich es 
durchaus verneinen; vielmehr hätte ich es dann gar nicht an- 
sehen mögen, und die realistische Wiedergabe der Unreinlichkeit 
hätte gar Ekel erweckt, während ich jetzt mich gern mit den ein- 
zelnen Gestalten beschäftige; aber wie ich sie in der Idee des 
Ganzen zu verknüpfen suche und an dieselbe halte, fangen sie mir 
an zu missfallen, ich finde mich gestört, und das sollte nicht sein. 
Vermochte der Künstler den Gegenstand nicht zugleich wahr 
und anmuthig darzustellen, so sollte er ihn überhaupt nicht dar- 
stellen. 
Kunstwerke der Art, in welchen die Idee blos benutzt ist, 
um Schönheiten wie an einem Faden aufzureihen, ohne dass das 
gemeinsame Dasein dieser Schönheiten in der Idee des Ganzen 
Wesentlich wurzelt, verhalten sich zu den ächten, wo sie im Zu- 
sammenhange mit minder schönen und nach Umständen selbst 
unschönen Einzelheiten aus der Idee selbst hervorwachsen, wie 
der ganz aus Blumen zusammengesetzte durch einen Faden zu- 
sammenhängende Kranz zur blühenden Pflanze mit Blüthen, Sten- 
geln, Wurzeln. Man kann in ersterm viel mehr schöne Blumen 
anbringen, als letztere von selbst zu tragen vermag, kann sich auch 
wohl einmal den Kranz gefallen lassen, da man immerhin gern viel 
Schönes beisammen sieht, ohne überall zu fragen, wie es zusam- 
menhängt; aber die Kunst soll doch vielmehr einem Garten voll 
blühender Pflanzen als einer Halle, in der Kränze aufgehangen sind, 
gleichen; und Während man der blühenden Pflanzen niemals über- 
drüssig wird, wird man der Kränze sehr bald überdrüssig. 
Wieder aber will ich zugeben, dass ein leiser Zug der Ideali- 
sirung, der im Zusammenhange durch das Ganze einer Darstellung 
aus realem Gebiete geht, einen Reiz darüber breiten kann, wel- 
cher den Nachtheil üherbietet, der daran hängen bleibt, dass die 
Darstellung nicht mit der vollen Kraft aus dem Leben selbst ge- 
griifener Wahrheit wirkt. Die Idealisirung muss nur eben leise 
genug sein, dass das Gefühl eines Widerspruches mit der
	        
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